: Poniemieckie, Pozydowskie
Was nach den Deutschen in Polen von ihnen blieb – ein seltsam fremder Raum für die neuen Bewohner ■ Von Leszek Szaruga
IDieses Wort läßt sich nicht ins Deutsche übersetzen: „poniemieckie“ – das, was nach den Deutschen blieb. Zurückgelassene deutsche Möbel, deutsche Bücher, deutsche Häuser, deutsche Straßen – das ist es, was ich ständig als Kind hörte. Ich verbrachte meine Kindheit in der kleinen Ortschaft Glebokie in der Nähe Szczecins (Stettin). Wenn man in den Wald ging, konnte man eine Menge interessanter Dinge mitbringen: Minen, Karabiner, Pistolen, Granaten. Das waren die Spielsachen meiner Kindheit, und es ist ein Wunder, daß diese Spiele in meinem Kreis mit nur einer einzigen abgerissenen Hand endeten. Meine Eltern dagegen sammelten die von den Deutschen hinterlassenen Güter: eine vierzigbändige vollständige Goethe-Ausgabe, die sie auf einem Bauernhof vor der Benutzung zum Feueranmachen retteten, ein Klavier, das in der Kneipe als Schanktisch diente und auf dem der Wirt seinen Gästen das kühle Blonde hinüberschob, schöne modernistische Möbel, die durch irgendein Wunder den Krieg heil überstanden hatten. Alles gehörte zum Nachlaß der Deutschen.
Meine Eltern waren Pioniere – so nannte die offizielle Presse die Bewohner der neuen, Polen übereigneten westlichen Territorien, die als „wiedergewonnene Gebiete“ bezeichnet wurden. Die Ansiedler nannten sie den „Wilden Westen“. Die Mehrheit dieser Pioniere zog aus den verlorengegangenen polnischen Ostgebieten, den sogenannten „kresy“ hierher oder wurde von dort herbeigebracht. Die „kresy“ haben in der polnischen Tradition und Kultur eine enorme Bedeutung. Es sind die Gebiete östlich des Bug bis zum Njemen und zum Dnjestr. In diesen Gebieten lebten verschiedene Nationalitäten – Ukrainer und Litauer, Weißrussen und Russen, Polen und Juden, Deutsche und Ungarn, Rumänen und Tschechen, ja sogar Franzosen. In der polnischen Essayistik nennt man diesen Raum auch „Miedzymorze“ – „Zwischen den Meeren“, die Gegend zwischen Ostsee und Adria.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hörte er auf zu existieren und ist nur noch ein geografischer Raum. Und nicht mehr, was der nach dem Krieg in Katowice geborene Schriftsteller Wlodzimierz Pazniewski in seinem Roman „Kurze Tage“ als einen Raum bezeichnete, in dem viele Sprachen zu Hause sind und in dessen Lüften sich der Rauch verschiedener Religionen mischt. Die Vergangenheit beschreibend, erinnert sich Jerzy Stempowski: „All diese Abschattungen von Nationalitäten und Sprachen befanden sich in einem teilweise fließenden Zustand. Söhne von Polen nannten sich nicht selten Ukrainer, Söhne von Franzosen oder Deutschen – Polen. In Odessa geschahen ungewöhnliche Dinge: Griechen wurden Russen, man sah Polen, die dem „Sojuz Russkawa Naroda“ beitraten. Noch seltsamere Kombinationen entstanden durch gemischte Ehen: Wenn ein Pole eine Russin heiratet – pflegte mein Vater zu sagen –, dann werden aus den Kindern normalerweise Ukrainer oder Litauer ...
Das Geheimnis dieser seltsamen und verwickelten Prozesse war in der Tat sehr einfach. In jenen Zeiten hatte die Nationalität nicht den Charakter eines unvermeidlichen rassischen Fatums, sondern war in hohem Maße eine Sache der freien Wahl. Diese Wahl beschränkte sich nicht auf die Sprache. „Im Tal des Dnjestr hallte das Echo vieler großer Zivilisationen wider, jede Sprache brachte eine andere historische, religiöse und soziale Tradition mit, und jede dieser Traditionen schuf eine andere moralische Haltung, die sich in Jahrhunderten des Auf und Ab von Sieg und Niederlage, von Traum und Sophistik bewährt hatte.“
Als ich diese Worte zum ersten Mal las, begriff ich, warum sich mein Vater mit einem gewissen Stolz auf seinen Geburtsort Odessa berief und warum für ihn sowohl die litauische Linie seiner Familie wichtig war als auch die Tatsache, daß seine Mutter eine Griechin war. Zu Hause wurde russisch gesprochen, was jedoch weder die Muttersprache meines Großvaters noch die der Großmutter war. Die wiederum lernte bis an ihr Lebensende kein gutes Polnisch. Obendrein siedelte sich die Familie, dem Sowjetland entronnen, in Gdynia an. Mein Vater, ein „Mischling“, war aber wirklich ein Pole, der nach fast fünf Jahren Gefangenschaft im Oflag zusammen mit seiner frisch angetrauten kaschubischen Frau, einer Danzigerin, die Zeit ihres Lebens dem internationalen Klima der Freien Stadt verbunden blieb, als „Pionier“ nach Szczecin ging. Beide sprachen hervorragend deutsch und übersetzten deutsche Literatur, darunter den „Doktor Faustus“ von Thomas Mann. Nach Szczecin verschlugen sie die komplizierten politischen Verhältnisse im Nachkriegspolen. Und nicht nur sie. Hier fanden auch diejenigen Schutz, die Spuren hinter sich verwischten, Menschen mit „unbequemen Lebensläufen“. Vor allem fanden sich hier aber jene ein, die ihr heimatliches Land hinter dem Bug verloren hatten. Wo sollten sie sonst unterkommen?
Die Propaganda tat alles, um ihnen das Gefühl zu geben, sie bewohnten und bewirtschafteten „ewiges polnisches Land“. Doch wußten sie sehr gut, wie Tadeusz Rozewicz in Wroclaw, daß hier selbst die Steine deutsch sprechen, was sie den Grabsteinen und Inschriften an den Kirchen entnahmen. Sie waren nicht die triumphierenden Sieger. Eher waren sie die Verlierer, die das Schicksal aus ihren seit Jahrhunderten gebauten Nestern geworfen hatte und die nun unter Mühen und Schmerzen in einer ihnen fremden, unfreundlichen Welt einen Platz für sich zu finden versuchten.
IIBeim Fliegen sehen wir aus der Höhe Flüsse und Seen, Straßen und Siedlungen, Berge und Wälder. Immer häufiger bewegen wir uns per Flugzeug. Grenzen sehen wir nicht. Es kommt allerdings vor, wie etwa über Zypern, daß wir am Rande eines Gebirges eingeritzte riesige Staatsembleme erkennen können – Stempel, die Wälder und Felsen verletzen und die sagen: „Das gehört uns“. In diesem Fall handelt es sich um einen türkischen Stempel. Im allgemeinen sehen wir die Grenzen auf Karten und wenn wir über Land wandern. Die Menschen vor uns sind mehr als wir gewandert, doch hatten die Grenzen für sie nicht diese Bedeutung.
Veit Stoß wanderte zwischen Nürnberg und Krakau, sprach wie jeder gebildete Mensch Latein und interessierte sich gewiß nicht dafür, welcher Nationalität er war. Er war einfach ein umworbener, hervorragender Künstler, der dort lebte, wo er die angemessensten Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfand. Also wanderte er von Ort zu Ort, malte und schnitzte. Er sprach Deutsch, vielleicht auch Polnisch, und es ist nicht ausgeschlossen, daß er auch Italienisch verstand, was in Künstlerkreisen der damaligen Zeit keine Seltenheit war. Einige Jahrhunderte nach seinem Tode fingen gelehrte Grauköpfe und andere gebildete Männer der Wissenschaft an, sich in die Augen zu springen um zu beweisen, daß er „einer von uns“ war. Auch über Kopernikus wurde gestritten. Ich erinnere mich noch an eine Stunde in der Grundschule, als die Geschichtslehrerin allen Ernstes deutsche Ansprüche auf den Astronomen mit dem Hinweis abwehrte, daß kein durchschnittlicher Amerikaner ohne ein Lexikon zu Hilfe zu nehmen dessen Nationalität feststellen könnte.
Ich würde über all das nicht sprechen, wäre ich nicht in einer ehemals deutschen Gegend aufgewachsen, zwischen deutschen Möbeln und einer gewissermaßen von den Deutschen hinterlassenen, auf ihre Weise nationalistischen Atmosphäre, die allem nun den Stempel des Polnischen aufdrückte. Szczecin war eine „ewig polnische“, slawische, piastische Stadt – und ich war ein Kind der „Pioniere“, die dieses Land repolonisierten. Auch ich habe sie selbstverständlich „repolonisiert“, einfach durch die Tatsache meiner Anwesenheit. Und vielleicht bin ich eben deshalb für diesen Problemkreis, der sich mit der „Zugehörigkeit“ verbindet, besonders sensibel.
Nach Jahren sah ich in den Geschichtsatlas. Ruhig blätterte ich die Seiten um und erblickte immer neue Grenzen des polnischen Staates. Dieser Staat lag um die Oder herum, dann wurde er von dort
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14Index on CensorshipSamstag, 27. August 1994
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verdrängt, und heute ist er dorthin zurückgekehrt. Ich sah darin jedoch keine Rückkehr, sondern eine Genugtuung: Die Deutschen hatten die Kosten für den verlorenen Krieg zu zahlen – hätten sie ihn gewonnen, würde es Polen nicht geben, die deutsche Grenze indessen befände sich auf Kamtschatka. Aber sie haben verloren. Historische Argumente galten mir nichts. Schließlich, so dachte ich, hatten sie es selbst so gewollt. Zur nach- deutschen Wirklichkeit hatte ich keinerlei emotionale Beziehung.
Doch meine Mitschüler hatten eine – für sie hieß es, daß ihnen das von den Deutschen Hinterlassene fremd war. Fremd in dem Sinne, daß sie es nicht mochten. Ihre Häuser waren von einem anderen Raum und einer anderen Landschaft erfüllt. Dort sah ich Erinnerungen aus Wilna, zuweilen aus Lemberg, wenngleich die Lemberger sich eher in Wroclaw ansiedelten. Sie und ihre Eltern sprachen überdies eine mir fremde, eigenartig gesungene Sprache, die zwar polnisch war, aber nicht das Polnisch, das ich von zu Hause kannte.
Wieder vergingen Jahre, bis ich langsam begriff, daß für diese Menschen, besonders für ihre Eltern, die Ansiedlung in Szczecin eine schreckliche Strafe für ein unfaßbares und nicht begangenes Verbrechen war. Sie waren aus ihrer Landschaft herausgerissen und in eine fremde Umgebung geworfen worden, eine Umgebung nach den Deutschen, eine feindliche eben. Sie hatten nichts von einem Eroberer oder Pionier. Im Gegenteil: sie sehnten sich nach der verlorenen Heimat, und das um so mehr, je weniger sie darüber reden und schreiben durften. In der Erzählung „Begegnung in Wolkenberg“ von Katarzyna Suchodolska tauchen die neuen Bewohner dieser Landschaft auf: „Die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben und die Verlorenheit von Menschen, die man in unbekanntes Land getrieben hatte.“
Nicht genug, daß man sie zur Ausreise gezwungen hatte, man versuchte auch, ihnen die Erinnerung zu nehmen und das Gedächtnis der Generationen zu vernichten. Nein – das waren gewiß keine Sieger. Jahrzehnte lebten sie auf Koffern und warteten – warteten auf ein Wunder. In einer Erzählung („Szczeliniaki“) träumt ein Waldarbeiter von der Rückkehr: „... zurückgehen – um dort wenigstens zu sterben, am selben Tag noch“. In den Wohnungen wurden neben anderen Erinnerungen aus der verlorenen Heimat Säckchen mit Erde aufbewahrt. „Alles ringsum ist fremd“, sagt einer der Helden in der Erzählung „Heszka“ derselben Autorin, „und eigen ist nur dieses bißchen Erde im Säckchen, was ich aus Oreczeki mitgebracht habe, damit sie es mir ins Grab werfen, wenn es in der Fremde ans Sterben geht ...“
Vielleicht lohnt es sich, eine merkwürdige Geschichte zu wiederholen. Vor kurzem druckte die Krakower Wochenzeitung Tygodnik Powszechny ein Gespräch mit zwei bedeutenden polnischen Schriftstellern – Jan Jozef Szczepanski und Stanislaw Lem. Das Gespräch drehte sich um alles – um Vergangenheit und Zukunft, die Willfährigkeit gegenüber dem Kommunismus und den Widerstand gegen das System, um die Nationalismen und die davon ausgehende Gefahr. Es war keine Polemik – die beiden Schriftsteller stimmten fast in allen Punkten überein –, sondern ein freies Gespräch zweier Freunde. In einem bestimmten Moment fiel der Name Schirinowskis, des russischen Nationalisten, der es kürzlich zu einem beachtlichen Wahlerfolg brachte. Da sagte Lem, daß er sich peinlich berührt fühlte, als er dessen Einlassungen über die Gemeinschaft des Slawentums hörte und die Notwendigkeit, eine slawische Gemeinschaft zu schaffen. Doch gleichzeitig entging ihm eine andere Reaktion, die sich seiner Kontrolle entzog. Seiner Frau fiel auf, daß sich das Gesicht des Schriftstellers auf eine ganz bestimmte Art in dem Moment aufhellte, als Schirinowski seinen mehr oder weniger bedrohlichen Unsinn über die Rückgabe Lwows an Polen von sich gab. Ich bin ein Lemberger, fuhr Lem fort, und diese Reaktion ist in mir, das ist meine Stadt.
Selbstverständlich ist das eine Episode, die in gar keiner Beziehung dazu berechtigt, bei Stanislaw Lem von „Nationalismus“ zu sprechen. Dennoch scheint mir, daß eben in dieser Reaktion etwas von jener Atmosphäre zu finden ist, in der die Eltern meiner Mitschüler in Szczecin lebten. Etwas von jenem Warten auf ein Wunder.
IIIDen Geschichtsatlas nahm ich mir immer wieder vor, ziemlich systematisch. Ich blätterte die Seiten um und sah, wie Staaten ihre Gestalt verändern, wie Imperien entstehen und plötzlich, im Laufe einiger Jahre, von der politischen Landkarte verschwinden, um nach einer gewissen Zeit der Nichtexistenz in Gestalt kleiner oder mittlerer Länder wieder aufzutauchen. Ich träumte davon, einen Film zu drehen, dessen einziger Inhalt dieser Wandel wäre – im Laufe von wenigen Minuten könnte man so eine kolorierte Geschichte Europas schreiben.
An diesen nie gedrehten Film dachte ich, als ich vor einigen Jahren – schon nach dem Fall der Berliner Mauer – an einer halboffiziellen Konferenz in Erfurt teilnahm. Einer der Teilnehmer, ein bulgarischer Wissenschaftler aus Sofia, widmete sein Referat der Geschichte des Großen Bulgarien und dem Traum seiner Wiedererstehung. Ich erfuhr damals, daß es keine Mazedonier gibt. Dieser gewiß ungewöhnlich große Gelehrte überzeugte die Zuhörer, daß die mazedonische Sprache ein bulgarischer Dialekt sei. Zum Beweis, daß ganz Mazedonien „ewig bulgarisch“ sei, berief er sich auf zahlreiche historische und kulturelle Argumente. Ich dachte dabei an ein Gespräch mit einer Malerin in Polen, die aus Bulgarien geflohen war, weil sie dort – als Mazedonierin – keinen Platz finden konnte. Sie berichtete mir von ihrem unter drei Staaten geteilten Land und erzählte von der Sehnsucht nach Unabhängigkeit. Heute protestiert der griechische Staat gegen die Existenz eines unabhängigen Landstrichs namens Mazedonien – denn, so erfahren wir von den griechischen Politikern, Mazedonien sei lediglich eine griechische Provinz.
IVIch wuchs in einem Land auf, das Deutsche hinterlassen hatten, das dann „Pioniere“ bewohnten, die in Wirklichkeit aus dem eigenen Haus vertriebene Nomaden auf der Suche nach einem Platz unter der Sonne waren.
Als ich erwachsen wurde, machte ich eine weitere furchtbare Erfahrung. Im Jahre 1968 wurde in Polen eine brutale antisemitische Kampagne losgetreten, die viele Menschen aus dem Land trieb. Ihre einzige Verbindung mit dem Judentum bestand oft nur in der Familienbindung, die manchmal weit in der Vergangenheit lag. Unter ihnen waren viele meiner Freunde und Bekannten. Einige erzählten mir mit Bangen, daß sie in diesem Augenblick ihr Judentum entdeckten. Viele waren auch nominell Juden geblieben, als nicht „zu uns“ gehörig.
Die antisemitische Hetzjagd, losgetreten von den Kommunisten, traf auf eine Atmosphäre gesellschaftlicher Billigung, ähnlich wie die von den Deutschen ins Werk gesetzte Vernichtung der Juden in den vierziger Jahren gesellschaftlich gebilligt wurde.
Ich erinnere mich an mich selbst in dieser Zeit – und muß an die Ohnmacht und Verzweiflung denken. Und das Gefühl der Schuld, das ich bis heute nicht und wahrscheinlich niemals loswerde. Ich denke an einen langen Spaziergang mit dem hervorragenden polnischen Dichter Arnold Slucki. Wir gingen im Kreis durch einige Warschauer Straßen, und Arnold erzählte mir sein Leben. Anfang der zwanziger Jahre in einer jüdischen Familie geboren, trat er schon als junger Bursche den Kommunisten bei, in einer Kleinstadt im Vorkriegspolen, in heute ukrainischem Gebiet. Arnold konnte kein Polnisch, er sprach damals nur Jiddisch und Ukrainisch. Später lernte er andere Sprachen. Den Krieg überlebte er in der Sowjetunion, dann entschied er sich für Polen.
Er lernte die Sprache, begann Gedichte zu schreiben und wurde ein guter Dichter. Er erzählte mir das alles, weil er es jemandem sagen mußte, der blieb und dem er vertraute. Am nächsten Tag reiste er aus, über Wien nach Israel. Dort sehnte er sich nach Polen und wollte zurück. Er zog nach Europa um, dorthin, wo er Warschau am nächsten war, nach Westberlin. Vor über 20 Jahren wurde er in Ruhleben begraben. Er starb sehr jung, im Alter von gerade 50 Jahren. Müßte ich in diesem Fall eine Todesursache feststellen, würde ich sagen, Arnold starb an Polen. So sterben Vertriebene, ihren familiären und heimatlichen Bindungen entrissene Menschen, Opfer „ethnischer Säuberungen“. Sie sterben stille, unauffällige Tode, die keine Zeitung mitteilt.
Ich denke an die Begleitung der Freunde zum Zug nach Wien und werde das niemals vergessen. Auch nicht die vielen Abschiede, als die Verbannten unter den Zurückbleibenden verteilten, was sie nicht mitnehmen konnten – Bücher, Möbel, Bilder, Hausrat. Und ich vergesse nicht, daß ich damals ein neues polnisches Wort lernte – das Adjektiv „pozydowskie“ – das, was nach den Juden von ihnen blieb.
Diese Textauswahl erscheint in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung, Köln
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