Marionetten im Kunstpuppenhaus

■ Bunt und schwersymbolisch: Junge spanische Kunst in der Galerie Hertz

Ein filigranes Häuschen, klein wie ein Vogelkäfig, ragt von der Wand in den Raum; drinnen Puppenstuben-Mobiliar: Tische, Stühle, Schränke aus buntlackiertem Metall. Titel: „Casa commoda“. Mit diesem doppeldeutigen Begriff von „Gemütlichkeit“ und „Kommode“ ironisiert der Madrider Künstler Florentino Diaz die menschliche Behausung. Vier „Häuser“, bunte Flächen aus Eisen sind derzeit in der Galerie Cornelius Hertz zu sehen – mitsamt ihnen vier Marionettenfamilien. Ihre farbliche Zuordnung aber hat Diaz listenreich vertauscht: Rote Menschen am weißen Haus, schwarze am roten. Nur die gelben, so scheint es, sind da, wo sie hingehören.

Wer hier Migrationsbewegungen, Rassenkonflikte und Fremdenfeindlichkeit assoziiert, liegt nicht falsch. Florentino Diaz' leicht und bunt daherkommende Artefakte verstehen sich als Denkanstöße mit explizit politischem Ansatz. Ab heute wird die Installation zusammen mit zwei weiteren KünstlerInnen aus Madrid präsentiert. Neben Diaz zeigt die Galerie Arbeiten der Malerin Gloria del Mazo und von dem Objektkünstler Miguel Angel Beneyto. Drei nicht exemplarische Positionen, die unter dem Titel „Correspondencias“ Einblicke in die umtriebige zeitgenössische Kunstszene der spanischen Hauptstadt bieten.

Dabei ist die Herkunft der drei nur die vordergründige Variante ihrer Korrespondenzen. Die eigentliche Beziehung liegt im gemeinsamen Ansatz ihrer Werke. Deren augenfälligste Merkmale sind der Hang zur Wiederholung und der Mut zur Metapher – ein hierzulande bei Kritikern meist verpönter Zug. Was bei Florentino Diaz die wiederkehrenden Häuser, sind bei Gloria del Mazo Fotokopien vom Kopf der altgriechischen Göttin „Hygieia“. Deren fotomechanisch vervielfältigte Abbilder verwandelt sie zurück in Originale. Durch Übermalungen, die sich oft nur um Nuancen unterscheiden. Kombiniert mit fast monochromen Flächen oder streng geometrischer Malerei entsteht ein äußerst reizvoller Kontrast zwischen Einmaligkeit und serieller Produktion a la Warhol. Eine Korrespondenz zwischen der Kunst als Handwerk (auf deren Wert die Künstlerin besteht) und den Möglichkeiten technischer Reproduktion.

Wiederholungen auch bei Miguel Angel Beneyto, hier jedoch auf der Ebene des Materials: Wachs und Teer sind seine Ausgangsstoffe, in deren wechselnden Aggregatzuständen der Künstler die vergebliche Suche nach festen Identitäten ausdrückt.

Wie sehr das Ringen um klare Positionen und Originalität den zeitgenössischen Diskurs der Kunst bestimmt, zeigt sich auch in dieser Ausstellung: Archaik hier, über die Postmoderne hinweg gerettete Modernität dort, meist in ein- und demselben Werk. Nicht zuletzt durch diese Kontraste wird ein Lebensgefühl deutlich, das für die Stadt Madrid typisch zu sein scheint. Wie sehr und inwiefern bewußt, dies kann man am 8. September erfahren. Dann nämlich lädt der Galerist zu einem Gespräch mit den Künstlern über die aktuelle Kunstszene ihrer Heimatstadt.

Moritz Wecker

„Correspondencias“, Galerie Hertz, Richard-Wagner-Staße 22, vom 2.9.-30.9.94 (Vernissage: 2.9., 20 Uhr, Künstlergespräch: 8.9., 19 Uhr