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Und dann verzeiht man ihm alles

■ Des blonden Emil sehr blondes Comedy-Programm „Grand Brie“ im BKA-Zelt

Irgendwann in seiner Kindheit, vielleicht sogar die ganze, hing „Der blonde Emil“ tagaus, tagein vor der Glotze. Richtige Helden zogen über die Mattscheibe. Sie zeigten markerschütternde Kung- Fu-Einlagen, brillierten als Desperados, imponierten den Frauen und sangen vor allem viele schöne Lieder. Der blonde Emil war entzückt. Irgendwann später wird er sich gedacht haben: So ein Held wirst du auch! Dafür hat er richtig geackert, hat sich das internationale Kulturgut wie frische Schokoküsse reingezogen.

Und nun steht Der blonde Emil, der eigentlich Thomas Nicolai heißt, auf der Bühne im BKA-Zelt und füttert die Besucher mit Kindheitsträumen. Motto: „Grand Brie“. Eine Verdauungsprobe also, in der kopiert, karikiert und kreiert wird. Manchmal macht Emil das derart originalgetreu, daß wir uns ärgern. Etwa, wenn er den Herbertschen Schmollmund auflegt und als Grönemeyer jammert. Was soll das? Den Bochumer Lastenträger wollen wir doch gar nicht sehen. Sondern Emil. Und der ist leider viel zu selten er selbst.

Emil nämlich ist keck und schelmisch und hat den Charme und die Verve eines nie erwachsen gewordenen Michels aus Lönneberga (auch blond!). Dann quasselt er unbekümmert. Oder belebt die Figur der pubertierenden Göre (mit langen Zöpfen, ziemlich blond!), die ein Gedicht über das erste Mal vorträgt. Das beispielsweise ist zuweilen komisch. Doch Emil mischt sich zu oft in Angelegenheiten, die nicht die seinen sind. Die überstrapazierte „Kiss“-Nummer von Prince beispielsweise, die nervtötende Nummer in Kittelschürze, oder das „Frank Sinalco“-Geseier: Die kalifornische, will heißen vermeintlich sonnige Eloquenz jenes Mannes, der mit seinem Daddy auf du und du ist.

Man muß jedoch hinzufügen: Egal was Emil und sein Keyboardbegleiter Robert Neumann anstellen, das Publikum schlägt sich auf die Knie und schüttet sich aus vor Lachen. Auch bei dem, ach!, traurigen Song „Er war gerade achtzehn Jahr'“. Viele Stars haben die Tragödie besungen, keine so melancholisch wie Dalida. Emil trägt dazu einen petrolfarbenen Fummel mit grasgrüner Federboa und goldenen Ohrringen. Und schlägt mit den Augenlidern, daß man ihm alles verzeiht. Zum Schluß der knapp zweistündigen „Melodien für Millionen“ – wer hätte das gedacht – erscheint die gute alte Daliah Lavi und fragt herzgeschmerzt: „Willst du mit mir gehn?“

Eigentlich ist Thomas Nicolai im Grips-Theater als Schauspieler engagiert. Aber schon klar, wo er hinwill: zum Sender. Denn wahre Helden gibt es nur noch im Fernsehen! Tomas Niederberghaus

(auch blond!)

„Grand Brie“ – Comedy und Parodie und mehr und anderes vom blonden Emil, noch bis 25.9., Mittwoch bis Sonntag, jeweils 20 Uhr, im BKA Zelt neben der Philharmonie, Potsdamer Straße, Tiergarten.

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