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■ Wie sportlich ist „Gotcha“?Peng! Du bist bunt!

Burgdorf (taz) – Sie verkleiden sich mit Militäruniformen, schwärzen ihre Gesichter und schleichen mit Pistolen und Gewehren durchs Unterholz. Taucht ein Feind auf, wird ohne Vorwarnung geschossen. Jagdszenen aus Bosnien? Nein, denn geballert wird immerhin nicht mit scharfer Munition, sondern mit roten oder gelben Farbkugeln, die beim Aufprall auf ihr Ziel zerplatzen. Gewonnen hat die Mannschaft, die am meisten Treffer auf den Köpfen oder Körpern der gegnerischen Spieler landet.

Das makabre Freizeitvergnügen für beim Wehrdienst Zukurzgekommene trägt den harmlosen Namen „Paintball“ oder – abgeleitet aus dem englischen „I got you“ – schlicht „Gotcha“. Populär wurde das militaristische Spektakel zunächst in den USA, doch inzwischen tummeln sich auch in deutschen Wäldern und auf Truppenübungsplätzen mehr als achtzig Gotcha-Gruppen.

Eine von ihnen ist in Burgdorf bei Hannover unter dem Namen „Survival Game Club“ als Verein eingetragen. Ihr Kampfgebiet ist ein in Privatbesitz befindliches Waldstück in der Gemarkung Ehlershausen; geschossen wird vornehmlich an Sonn- und Feiertagen. Nach Protesten von Spaziergängern, die sich durch das militaristische Gehabe der Freizeitkämpfer belästigt fühlten, verbot die Burgdorfer Stadtverwaltung das Gotcha-Spielen und ordnete den Abriß einer von den Paintball-Kämpfern als Begrenzung errichteten Holzbarriere an.

Jetzt hat der Verein Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt. Das Landeswaldgesetz, so der Düsseldorfer Rechtsanwalt Hans Scholzen in seiner Begründung, erlaube in Ausnahmefällen ausdrücklich Sportveranstaltungen im Außenbereich von Gemeinden. In Wald und Flur fänden schließlich auch Fahrradrennen und Dauerläufe statt, über die sich kein Mensch aufrege. Ein Argument, das aus Sicht der Gemeinde Burgdorf nicht zieht. Gotcha sei bislang weder vom Deutschen Sportbund noch vom Niedersächsischen Landessportbund als ordentliche Sportart anerkannt worden. „Auf Menschen zu schießen, auch wenn es nur mit Farbe ist, hat nichts mit Sport zu tun“, sagt ein Verwaltungssprecher und findet mit dieser Position Zuspruch auch bei den Sportverbänden. Vermutlich muß sich das Verwaltungsgericht Hannover demnächst mit der Frage beschäftigen, wie sportlich Gotcha denn nun eigentlich ist.

Rechtsanwalt Scholzen attackiert in seinem Widerspruchsschreiben auch die Anordnung, den Palisadenzaun wieder abzubauen. Ein nahegelegener Campingplatz und ein Tierheim in der Gegend seien schließlich auch ohne behördliche Beanstandung eingefriedet worden. Außerdem sei die Baumstammeinzäunung auf Wunsch des Waldbesitzers entstanden, der damit verhindern wolle, daß Spaziergänger und Ausflügler Müll auf dem Grundstück hinterließen. Die Stadt Burgdorf, meint der Anwalt, solle sich lieber darum kümmern, daß die in Wohnwagen auf Kundschaft wartenden Prostituierten von den Ehlershausener Waldwegen verschwinden.

Scholzen vertritt die Burgdorfer Gotcha-Jünger auch in einem Rechtsstreit mit dem Finanzamt. Als dem Survival Games Club vor kurzem ein Steuerbescheid zugestellt wurde, reichte der Rechtsanwalt Klage beim Finanzgericht Hannover ein. Dem Verein solle die Gemeinnützigkeit und damit Steuerfreiheit zugestanden werden. Immerhin gebe es Finanzämter, die diese bei anderen Gotcha- Clubs schon anerkannt hätten. Stellt sich nur die Frage, worin die Gemeinnützigkeit der Provinzrambos begründet sein soll. Reimar Paul

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