piwik no script img

Zügig am Stau vorbei

Car-Sharing-Initiativen veranstalten gemeinsam mit der Bahn eine bundesweite Aktionswoche für das Auto-Teilen  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Teilen – und dann gemeinsam über ein Auto herrschen. Das ist die Geschäftsphilosophie der „Car-Sharing Deutschland eG“ mit Sitz im Frankfurter Öko-Haus. Weil sich im Durchschnitt fünf umweltbewußte und im Rechnen fixe und firme Menschen via Car-Sharing einen Opel Astra Caravan oder Opel Corsa teilen und so weniger Autoverkehr entsteht, findet inzwischen auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Idee unterstützenswert: Sich ein Auto zu teilen ist, so verkündete Doris Rüger von der Greenpeace-Gruppe Frankfurt/Main gestern auf einer gemeinsamen Pressekonfernz mit Car-Sharing, „ein Baustein auf dem Weg zur drastischen Reduzierung der Kohlendioxidemissionen nicht nur in Deutschland“.

Die Vernetzung von Car-Sharing-Initiativen auf internationaler Ebene ist nämlich bereits in die Gänge gekommen: Car-Sharing Europe (cse) heißt der europäische Dachverband, dem inzwischen die nationalen Verbände aus Deutschland, der Schweiz und Österreich angehören. Auch die Deutsche Bundesbahn fährt mit. Im Rahmen einer am kommenden Montag beginnenden bundesweiten Car-Sharing-Aktionswoche können die Mitglieder von Car- Sharing-Gruppen auch Bahnfahrkarten bei den Autozentralen bestellen. Car-Sharer können dann zügig an jedem Stau vorbeifahren, ohne vor Ort auf Mobilität verzichten zu müssen, denn am Ziel wartet schon das bereitgestellte cse- Fahrzeug.

Für Jens Matthaes von der Car- Sharing Deutschland eG ist die professionelle Organisation von Alternativen zum privaten Pkw eine Wachstumsbranche. In den drei europäischen Ländern könne an 300 Standorten bereits über 500 Fahrzeuge verfügt werden. Allein in Berlin würden zur Zeit 120 Car- Sharing-Pkw in fast allen Stadtteilen für die uneingeschränkte Mobilität von rund 1.500 Mitglieder sorgen. Car-Sharing, so Matthaes, sei von der Konzeption her so ausgelegt, daß die zahlenden Mitglieder nur dann den Pkw benutzen sollten, wenn Ziele nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder mit der Bahn erreicht werden können oder (etwa mit dem Caravan) Lasten zu transportieren seien.

Die Idee, so Matthaes weiter, rechnet sich allerdings nur für Menschen, die weniger als 12.000 Kilometer im Jahr mit dem Auto unterwegs sind. Doris Rüger von Greenpeace rechnet vor allem mit dem Umstieg von bisherigen Autohaltern, weil die Teilhabe am Car-Sharing ein nicht eben billiges Vergnügen ist. Car-Sharer, so Rüger, würden hart kalkulieren und sich tatsächlich nur dann für die Pkw-Buchung entscheiden, wenn andere Fortbewegungsmöglichkeiten nicht zu realisieren seien. Schlecht fürs Car-Sharing-Geschäft ist das trotzdem nicht, glaubt Matthaes. Denn gerade für ökologisch- und ökonomisch bewußte Zeitgenossinnen und -genossen lohne sich das Teilen. In Frankfurt/ Main etwa zahlen die Mitglieder von Car-Sharing Deutschland für einen Corsa zur Zeit 4,30 Mark pro Stunde – und 0,42 Mark für jeden gefahrenen Kilometer (inklusive Benzin). Dafür brauchen sie sich nicht – wie bei einem eigenen Fahrzeug – um die Bezahlung von Steuern und Versicherungen zu kümmern, haben keine Reparaturkosten und müssen keinen Wertverlust wie beim Privatauto mehr in Kauf nehmen.

Gekauft werden die Pkw von den Car-Sharing-Organisationen von dem Geld, das die Mitglieder als Einstand auf den Tisch blättern müssen: 250 Mark als Eintrittsgeld und 1.100 Mark Genossenschaftsanteil, dazu monatlich zwölf Mark Grundgebühr, die aber am Jahresende mit den Ausgaben für die Pkw-Benutzung verrechnet werden. „Die Idee boomt“, sagt Matthaes. So hat die Gruppe Frankfurt/Main vor zwei Jahren mit drei Fahrzeugen angefangen. Heute stehen in mehreren Stadtteilen 21 Autos bereit. Jens Matthaes denkt darum schon weiter – an einen Mobilitätsverbund zwischen seinen Autos, der Bahn, dem öffentlichen Nahverkehr und einem noch zu schaffenden Fahrrad-Pool: alles benutzbar mit der cse-Card der Car-Sharer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen