Wo ein Wille ist ... -betr.: Umbenennung der Alsterdorfer Straße, Ehrenenkel", taz vom 25.8.94

Betr.: Umbenennung der Alsterdorfer Straße, „Ehrenenkel“, 25.8.94

Vor sechs Jahren bemühten sich GAL-Fraktion und SPD-Nord um die Umbenennung der Hindenburgstraße, um mit Dorothea Kasten eines von 549 Euthanasie-Opfern der Alsterdorfer Anstalten zu ehren. Nachdem die Initiative am erbitterten Widerstand greiser deutschnationaler Verehrer des „Helden von Tannenberg“ und dem Veto des Hamburger Senats gescheitert war, geriet auch das jetzt diskutierte Teilstück der Alsterdorfer Straße ins Visier. Eine ebenso langwierige wie halbherzige Prozedur nahm ihren Lauf. Mitarbeiter der Stiftung sollten bei Anwohnern um Sympathie werben, die politische Szene übte sich in Zurückhaltung. Schließlich wurde zur Erleichterung aller die bislang namenlose Stiftungs-Zufahrt auf den Namen Dorothea Kasten getauft.

Wieviel einfacher verkauft sich da doch der Name Brandt. (...) Man sieht, was geht, wenn der Wille da ist. Und eben an diesem Willen fehlt es, wann immer der Versuch unternommen wird, Behinderte, ihre Anliegen oder ihre Geschichte in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Ausgrenzung statt Integration – das ist zwar kein geschriebenes Programm mehr, aber der Geist schlägt jedem entgegen, der sich um das Gegenteil bemüht.

Wilhelm Roggenthien, Alsterdorfer Pflegling bis 1945