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„Kanther wird sich die Hände reiben“

Der Hamburger Pfarrer Wolfram Stauffer gewährt Kirchenasyl / Peter Kollmar ist Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) / Interviews zu den zehn Thesen der EKD zum Kirchenasyl  ■ Von Bascha Mika

taz: Herr Stauffer, rauben Ihnen die EKD-Thesen den Schlaf?

Wolfram Stauffer: Nein, die Stellungnahme der EKD ist nicht bindend für eine Gemeinde.

Aber Innenminister Kanther wird sich freuen ...

Natürlich, der wird sich die Hände reiben. Das ist mal wieder so eine richtig typische kirchliche Erklärung, die niemandem weh tut. Herr Kanther kann sich darauf beziehen und ich auch, denn sie ist flau und uneindeutig. Einerseits heißt es, die Normen sollen nicht in Frage gestellt werden und andererseits, daß die Rechtslage geändert werden muß. Aus diesen Thesen kann jeder herauslesen, was er will.

Verstecken Sie Flüchtlinge?

Bis vor zwei Wochen hatten wir noch jugoslawische Roma in der Gemeinde. Wenn nötig, werden wir wieder Flüchtlinge verstecken.

Die EKD warnt davor, Flüchtlinge zu instrumentalisieren. Sind damit Pfarrer wie Sie gemeint?

Dieser Passus ist unverschämt. Die Flüchtlinge sind in Not.

Die Kirchen können zwar nicht die Gesetzgebung ändern, hätten aber aber die Möglichkeit, darauf Einfluß zu nehmen ...

Diese Möglichkeit verspielt die EKD. Sie sitzt zwischen den Stühlen: Da sind einerseits Gemeinden, die Flüchtlinge verstecken, und andererseits der Staat, dem sie treu sein will. Da schaukelt die EKD nun hin und her, und biblische Grundsätze bleiben dabei auf der Strecke.

Die EKD spricht nur von Gerechtigkeit im Einzelfall, von individueller Gewissensentscheidung.

Unsinn, wer Flüchtlinge versteckt, trifft keine individuelle Gewissensentscheidung, sondern orientiert sich am Handeln der Christenheit.

Die EKD liefert keine theologische Begründung für ihre Position.

Die gibt es auch nicht. Das ist nur Staatsgehorsam. Würde sie sich an die Bibel halten, müßte sie sagen: Staat, was du tust, ist Unrecht! Es handelt sich hier durchaus um einen Konflikt zwischen Staat und Kirche, aber der Rat der EKD will dem Gesetzgeber nicht ans Leder.

Sie verstecken seit zehn Jahren Flüchtlinge. Schon jemals Probleme mit der Staatsanwaltschaft gehabt?

Die haben sich bisher freundlich zurückgehalten.

Haben Sie für Ihre EKD-Brüder einen frommen Wunsch?

Wie wär's mit ein bißchen Mut?

taz: Herr Kollmar, warum fällt die EKD den Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, in den Rücken?

Peter Kollmar: Davon kann keine Rede sein. Nur der Staat kann Asyl gewähren. Die Kirche will Flüchtlingen beistehen, denen bei Abschiebung Tod oder Folder drohen. Es ist kein Grundsatzstreit zwischen Kirche und Staat ...

... müßte es doch aber sein, wenn sie Ihren christlichen Anspruch ernst nehmen.

Natürlich ist das Asylrecht ein Feld von Spannungen. Aber die EKD sagt deutlich: Wenn Flüchtlingen Unterkunft gewährt und öffentlich eine Korrektur der Abschiebeverfügung gefordert wird, ist das nicht rechtswidrig. Das ist eine deutliche Unterstützung der Gemeinden gegenüber dem Staat.

Aber sie dürfen sich nach dem EKD-Papier nicht auf die Kirche als Institution beziehen.

Dann nicht, wenn rechtswidrig gehandelt wird – wie beim Verstecken von Ausländern. Aber bisher ging es immer um konkrete Einzelfälle, in denen eine ungerechte staatliche Entscheidung überprüft werden sollte. Also Abhilfe im Notfall, nicht Mittel zur Änderung der Rechtsordnung.

Ihnen gilt Staatstreue mehr als das Evangelium.

Das ist eine böse Unterstellung. Bei der Änderung des Asylrechts ist die EKD auch umgefallen.

Sie hat immer darauf bestanden, daß das Asylrecht im Kern erhalten bleibt. Diejenigen die aus religiösen oder politischen Motiven Asyl in der BRD suchen, sollen dies auch erhalten. Das ist immer die Forderung der EKD gewesen.

In einer der Thesen heißt es, die Kirche wolle durch ihre ökumenischen Kontakte dem Staat mehr Informationen über das Herkunftsland der Flüchtlinge liefern.

In der Tat. In vielen Fällen sind die Informationen schwer zu bekommen. Wir haben intensive Kontakte zu anderen Kirchen, die manchmal besser als politische Institutionen über konkretere Informationen vor Ort verfügen.

Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ wirft ihnen vor, daß sie den kirchlichen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit verabsolutieren.

Das ist ungerecht. Denn die Kirche schützt und respektiert ein in Gottes Wort gebundenes Gewissen. Das ist kein Kotau vor dem Staat, sondern eine selbstbewußte Position in einem Rechtsstaat.

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