: „Körperzerstörende Praktiken lehne ich ab“
■ Maria Möllner hat Kunsttischlerin gelernt, Babywollwindeln entworfen und schließlich als Domina gearbeitet. Jetzt will sie sich ausschließlich der Kunst widmen
taz: Die Arbeiten, die Sie ausstellen werden, gliedern sich in zwei Gruppen. Die eine besteht aus Lichtfotografien, die andere aus bearbeiteten Fotos von gefesselten Frauenkörpern. Gibt es eine Verbindung zwischen diesen Motiven?
Maria Möllner: Ich hab mich schon früh mit Energie auseinandergesetzt. Licht ist eine sehr starke Form von Energie. Durch Bewegungen habe ich dem Licht eine eigene Dynamik verliehen. Die Energie beim Bondage liegt dagegen im totalen Körpergefühl, im In-mich-hinein-Gehen ohne Möglichkeiten, selbst zu agieren, im Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung.
Wie kommen Sie auf Bondage?
Bondage war eigentlich schon immer eine Leidenschaft von mir. Ich hab viele Bereiche von SM kennengelernt, die mir nicht gefallen haben. Bondage ist für mich eine Sache, die sehr tief gehen kann, aber nichts Zerstörerisches hat. In meinen Bildern wollte ich das Weiche, Fließende daran zum Ausdruck bringen.
Damit arbeiten Sie gegen alle Klischees.
Ja sicher. Bondage ist eine Grenzerfahrung, die auch sehr schnell in eine harte Situation umschlagen kann, ist aber nicht per se hart.
In Ihren Bondage-Bildern sind die Fesselseile reines Licht. Das sieht aus, als wäre der Frauenkörper in ein Lichtnetz eingebunden, und erweckt eher den Eindruck von Transzendenz als von Dominanz.
Transzendenz? Um Gottes willen! Man muß es nicht so überbewerten. Ich will mit den Bildern ein Glücksgefühl ausdrücken.
Stichwort New Age?
Damit hab' ich überhaupt nichts am Hut. Mir geht es darum, Erfahrungen zu sammeln.
Haben Sie auch Ihre Arbeit als Domina künstlerisch umzusetzen versucht?
Das reizt mich nicht. Alles, was mich umgibt, auch in der Kunst, ist heute sehr zerstörerisch, sehr ekzessiv. Wo du hinguckst, findest du das Element von Dunkelheit, von Schmerz. Und da will ich nicht rein.
Wie sind Sie mit Schmerz und Dunkelheit bei Ihrer Arbeit klargekommen?
Das ist eine Dienstleistung. Ich habe aber längst nicht alles gemacht. Keine Sachen, die ich körperzerstörend finde. Früher habe ich in einem Studio assistiert, wo auch geschnitten und genäht wurde. Da ist mir immer schlecht geworden.
Was, wenn die Kunden darauf bestehen?
Es gibt Männer, die möchten ihre Hoden auf ein Brett getackert haben. Ohne mich! Die müssen dann zu einer Kollegin gehen. Ich hab viele Kunden auch einfach umgedreht, ihre Phantasien umgelenkt, sie von ihren Extremtrips runtergeholt, Schmerz durch Lust ersetzt.
Sonderlich sadistisch wirken Sie nicht gerade.
Nein, überhaupt nicht. Ich hab' privat eine Ebene gefunden, Sexualität und SM zu erfahren, die sich vielleicht sehr abgrenzt von allen anderen Sichtweisen von SM.
Was hat Bondage, was hat die Arbeit als Domina mit Kunst zu tun?
Bondage will gekonnt sein. Du mußt genau wissen, wie du die Knoten machst, wo du sie ansetzt. Du mußt wissen, was ein Körper aushält. Die Bondage muß fest sitzen, ohne weh zu tun. Dann gibt es natürlich auch noch den ästhetischen Aspekt, zum Beispiel die Körpersymmetrie zu berücksichtigen. Als Domina brauchst du vor allem schauspielerische Fähigkeit. Erst dem einen Kunden eine Stunde lang die strenge Lehrerin machen und dann für den nächsten als Schwester Katrin den OP vorbereiten – das verlangt einiges.
Wieso nehmen Sie an der Ausstellung teil?
Ich finde es gut, unter einem gemeinsamen Thema auszustellen. Außerdem stehe ich zu meiner Geschichte als Domina. Und natürlich hoffe ich, als Künstlerin entdeckt zu werden. Mein Traum ist es, später mal von meiner Kunst leben zu können.
Interview: Sonja Schock
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