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Gerry Adams hat wieder eine Stimme

■ Referendum soll über die Zukunft Irlands entscheiden

Dublin (taz) – Seit Samstag ist er arbeitslos: Alan McKee war die Stimme des Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams. Vor knapp sechs Jahren hatte London einen Bann über die Mitglieder des politischen Flügels der IRA verhängt. Fortan durfte man sie zwar auf dem Bildschirm sehen, aber nicht hören: Die Texte wurden von Schauspielern gesprochen – zunächst recht holprig, zum Schluß jedoch synchron, wobei die Schauspieler sogar Akzent und Sprechweise imitierten und die Zensur so zur Farce machten. „Prima“, lobte Adams sein Stimmdouble McKee vor ein paar Monaten, „er macht es besser als ich.“ Als Adams im Februar zum erstenmal seit 20 Jahren in die USA reisen durfte, hörte ganz Europa McKees Stimme. Die US- Nachrichtensender CNN und NBC hatten Adams wegen der britischen Zensur synchronisiert, bevor sie ihre Programme via Satellit nach Europa schickten.

Seit Samstag ist es damit vorbei. Bei einer Stippvisite in Belfast erklärte der britische Premierminister John Major das Ende der Zensur. Außerdem kündigte er an, daß noch in dieser Woche zehn Verbindungsstraßen zwischen der Republik Irland und Nordirland geöffnet würden. Seit Jahren gibt es an der Grenze ein Katz-und-Maus- Spiel zwischen der britischen Armee, die Betonsperren errichtet und den Straßenbelag zerstört, und den Anwohnern, die die Sperren wieder einreißen und die Straßen reparieren, um sich unnötige Umwege zu ersparen.

Die irische Regierung und Sinn Féin lobten Major für diese ersten Konzessionen seit dem IRA-Waffenstillstand Anfang des Monats. Neben dem Zuckerbrot verteilte Major aber auch die Peitsche: Er will die Rahmenvereinbarungen über Nordirland, die in den nächsten Monaten zwischen London und Dublin ausgehandelt werden sollen, von der nordirischen Bevölkerung per Volksentscheid absegnen lassen. Damit räumt er der protestantischen Bevölkerungsmehrheit de facto ein Vetorecht ein. Daran ändert auch das gleichzeitige Referendum in der Republik Irland nichts, das der irische Premierminister Albert Reynolds am Wochenende versprach.

Major wiederholte in Belfast, daß er noch immer nicht von der Dauerhaftigkeit des IRA-Waffenstillstands überzeugt sei. Die dreimonatige „Läuterungsphase“ bis zur Aufnahme von Gesprächen mit Sinn Féin habe deshalb noch nicht begonnen. Seine Beamten deuteten jedoch an, daß dies nichts als Spiegelfechterei sei, um sein Gesicht zu wahren. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann Sinn Féin am Verhandlungstisch sitzen wird – vermutlich noch vor Weihnachten. Ralf Sotscheck

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