: Konzeptlos gegen prügelnde Polizisten
■ Alwin Ziel (SPD), Brandenburgs Innenminister, über ausländerfeindliche Polizisten, viele Ermittlungsverfahren, geringe Aufklärungsquoten und die Hilflosigkeit, darauf zu reagieren
taz: Sie als Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) finden den Rücktritt von Werner Hackmann, langjähriger Hamburger Innensenator, nicht angemessen. Warum?
Alwin Ziel: Aus meiner Sicht hätte Hackmann, den ich wirklich sehr verehre, hier erst einmal die Aufklärung veranlassen sollen, und dann hätte er sich die Entscheidung des Rücktritts noch immer offenhalten können.
Interpretieren Sie den Rücktritt als eleganten Schritt, sich der Verantwortung zu entwinden?
Ich würde ihm nie zutrauen, daß er sich aus der Verantwortung stehlen will. Er war sicher enttäuscht, daß so etwas wie mit den 27 Polizisten vorgekommen ist. Ich glaube auch nicht, daß man dieses jetzt so genau beurteilen kann. Es geht ja um Körperverletzung im Amt, und das ist ein Straftatbestand, den man klar nachweisen kann oder nicht. Und ich meine, Hackmanns Kraft hätte viel geholfen, dies alles aufzuklären. Wir können Körperverletzungen im Amt nicht dulden. Darüber hätte ich gerne auf der nächsten Innenministerkonferenz mit ihm gesprochen.
Mit welchem Vorschlag gehen Sie in die IMK im November?
Es gibt noch kein Konzept. Wir werden das zunächst im Ministergespräch behandeln und dann möglicherweise einen Arbeitskreis beauftragen, uns Vorschläge zu unterbreiten. Ein Ergebnis könnte sein, daß wir mehr Ausländer in der Polizei beschäftigen.
Dies hat die IMK doch bereits im Mai letzten Jahres beschlossen.
Den Beschluß zu realisieren, ist nicht so einfach. Wir wollen in der Brandenburger Polizei einen Ausländeranteil von zehn Prozent erreichen. Außerdem sollen unsere Polizisten Fremdsprachen lernen, hier an der Grenze zu Polen ist das bereits die halbe Miete.
Ein Großteil der Polizisten ist ausländerfeinlich eingestellt. In Rheinland-Pfalz betrachteten 66 Prozent von 500 befragten Polizisten Asylbewerber als soziale Bedrohung. Zwei Drittel sollen es problematisch finden, Ausländer in den Polizeidienst einzustellen.
Ich kenne diese Umfrage nicht. Ich warne davor, so etwas zu verabsolutieren.
Wie viele Ausländer sind bei der Brandenburger Polizei eingestellt worden?
Zum 1. Oktober werden 40 eingestellt. Mir sind aber keine Polizisten bekannt, die sagen: Wir wollen nicht mit Ausländern zusammenarbeiten.
Aktuell wird bundesweit gegen 108 Beamte wegen des Verdachts, an ausländerfeindlichen Straftaten beteiligt gewesen zu sein, ermittelt. In den vergangenen zwei Jahren liefen allein in Brandenburg gegen 120 Polizisten Verfahren. Der zuständige Staatsanwalt sagt, in nur wenigen Fällen sei es zu einer Verurteilung gekommen. Beamten gelingt es, Ermittlungsakten verschwinden zu lassen. Da kann man doch nicht von schwarzen Schafen innerhalb der Polizei reden.
Ich denke, nicht jede Beschuldigung ist richtig. Ich erwarte, daß der Staatsanwalt uns eine präzise Aufstellung geben wird. Jeder weiß auch, daß Beschuldigungen gegen Polizisten erhoben werden, die sich hinterher als unhaltbar erweisen.
Werden Sie auf der IMK eine Untersuchungskommission fordern, die der Frage nachgehen soll, wie ausländerfeindlich sind Polizisten, wie funktioniert Korpsgeist?
Ich werde erst einmal ein Gespräch darüber vorschlagen. Wir tun ja bereits in Brandenburg einiges: Wir machen Antistreßtraining, jeder Polizist, der zur Waffe greifen mußte, wird psychologisch betreut. Bei uns wird schon eine Menge für die Polizei getan. So haben wir an der Polizeischule den Ethikunterricht eingeführt. Und trotzdem nehmen wir die Vorwürfe gegen die Polizei nicht einfach nur zur Kenntnis. Interview: Annette Rogalla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen