piwik no script img

Auf den Einmarsch folgt die Ernüchterung

■ Demonstranten von Polizei zusammengeprügelt / Aristide kritisiert USA

Berlin (AP/AFP/taz) – Die Invasion galt ihrer Befreiung, doch merkten sie davon zunächst wenig. Als sich einige hundert Aristide-Anhänger in Port-au-Prince zusammenfanden, um die Ankunft der US-Soldaten zu feiern, wurden sie von der haitianischen Polizei zusammengeprügelt, ein achtjähriges Kind wurde von einem Wagen überrollt, ein Mann soll nach Augenzeugenberichten totgeschlagen worden sein. Auch eine Demonstration im Armenviertel Cité Soleil endete unter Schlagstöcken.

Am Tag 1 nach der Landung US-amerikanischer Truppen in Haiti wird die spontane Freude über die zunächst unblutige „Lösung“ der Krise langsam von ernster Kritik an dem Abkommen abgelöst, das US-Vermittler Jimmy Carter mit den Generälen ausgehandelt hatte.

So nahm zwar Haitis Präsident Jean- Bertrand Aristide noch immer nicht selbst zu dem Abkommen Stellung, ließ aber verlauten, er halte am Vertrag von Governors' Island vom Juli 1993 fest. Sein Berater Burt Wides erklärte in Washington, der Präsident habe „ernste Probleme“ mit der Abmachung, die den Putschgenerälen noch weitere vier Wochen im Amt zugesteht. „Das gibt ihnen vier Wochen Zeit für neue Massaker“, kritisierte Wides.

Eine erste Abweichung von den Intentionen des Abkommens gab es schon am späten Montagabend: Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete noch nicht die Aufhebung des Wirtschaftsembargos gegen Haiti. Dem Gremium lag kein entsprechender Antrag der USA vor. Voraussetzung dafür sei die Rückkehr von Präsident Aristide, sagte die UN-Botschafterin der USA, Madeleine Albright.

Auf Haiti selbst geht unterdessen die Besetzung strategisch wichtiger Punkte durch die US-Truppen weiter. Gestern landeten 1.800 US-Soldaten auch in der zweitgrößten Stadt Haitis, Cap-Haitien, 260 Kilometer nördlich von Port-au- Prince. Größere Zusammenstöße wurden nicht gemeldet. Kein Wunder, der für den US-Einsatz verantwortliche General Henry Shelton beschrieb sein Treffen mit dem haitianischen Militärchef Cédras als „äußerst herzlich“. Die Militärs arbeiten bestens zusammen, bestätigte auch US- Außenminister Warren Christopher, der von einer „Atmosphäre der Kooperation“ sprach.

Über die Perspektiven des US-Einsatzes, insbesondere über die geplante Übergabe der Mission an UN-Blauhelme, besteht noch völlige Unklarheit. So ist weder klar, wer das Kommando der UNMIH, der Mission der Vereinten Nationen in Haiti, übernehmen soll, noch wer darüber entscheidet, wann die Bedingungen als „stabil und sicher“ gelten können, wie es die Planungen vorsehen. Seiten 8 und 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen