: Schere am Planungshimmel
Mit einem städtebaulichen „Regelwerk“ möchte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer Ordnung in das Planungschaos an der sieben Kilometer langen Landsberger Allee bringen ■ Von Rolf Lautenschläger
Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer spielt wieder einmal die Rolle des großen baulichen Lenkers. Damit die rund 7 Kilometer lange, von Wohn- und Bürobauten zerklüftete Landsberger Allee (ehemals Leninallee) nicht weiter von einzelnen, unabgestimmmten Bauvorhaben verschandelt wird, soll ein „Regelwerk“ Ordnung in die zukünftige Stadtplanung vor Ort bringen. „Die Gefahr des unverträglichen Wachstums“, sagte Hassemer gestern bei der Vorstellung der Rahmenplanung, „macht es notwendig, die Entwicklung entlang der Straße zu steuern.“ Das Bild der autobahnählichen Trasse zwischen Storkower Straße und Rhinstraße mit ihren öden Gebäuden und Dienstleistungskomplexen müsse überwunden und in eine „Allee mit einem eigenen Gesicht“ verwandelt werden, so Hassemer. Das „Regelwerk“ für Bauten und Ensembles, Frei- und Straßenflächen diene als Orientierung für die städtebaulichen Interessen der Investoren.
Die Leitidee in dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegebenen „Regelwerk“-Gutachten sieht vor, daß die Landsberger Allee mittels Baumalleen zu einem „grünen Rückgrat“ zwischen Lichtenberg und Marzahn umgestaltet wird. Die Weiträumigkeit der Straße solle erhalten bleiben, so Hassemer. Zur besseren Verkehrsanbindung soll die Straßenbahn in die Landsberger Allee geführt werden. Die neu entstehenden Wohn-, Büro- und Gewerbebauten will Hassemer nicht als einzelne Adressen, sondern in einem „stimmigen Kontext“ zur Stadt sehen. Damit jedoch keine „einheitliche Soße“ realisiert wird, schlägt das „Regelwerk“ vor, die Allee in Teilräume aufzugliedern: Einzelne Zentren bilden die Storkower Straße als Dienstleistungszentrum, der Fennpfuhl als Park mit Nahversorgung, das Altenhofer Dreieck, an dem Wohn- und Gewerbeeinrichtungen geplant sind. Am Weißenseer Weg und an der Rhinstraße sind ebenfalls öffentliche Grünflächen beziehungsweise Dienstleistungsstandorte vorgesehen. Die Großprojekte, betonte der Senator, sollen nicht „einfach an der Landsberger Allee stehen“. Sie müßten vielmehr Eingangstore zur Stadt darstellen.
Das „Regelwerk“ war in den vergangenen Monaten unter der Beteiligung von fünf Architektenteams als Entwurf ausgearbeitet worden. In dem Strukturplan sind Funktionen, Bereiche und Geschoßhöhen zusätzlich angegeben. Hassemer wies darauf hin, daß das Reglement keine endgültige und rechtlich verbindliche Planung sei, sondern eine „Empfehlung mit viel Wirkung“ für die Investoren darstelle, an dem sich „diese abzuarbeiten haben“. Die kommenden Wettbewerbe und Bebauungspläne würden im „Kontext der Regeln“ ausgearbeitet.
Auch Lichtenbergs Baustadtrat Hans Krautzig sieht in den Regeln „kein Dogma“. Krautzig: „Der Entwurf bildet eine Richtschnur, an der sich die zukünftigen Bauherren zu orientieren haben, damit sich die Allee wieder stadtverträglich entwickelt.“ Derzeit seien bereits 12 bis 15 Großprojekte und zahlreiche kleinere Bauvorhaben mit einem Investitionsvolumen von rund 2 Milliarden Mark geplant. Es würden 1,4 Millionen Quadratmeter Bruttogeschoßfläche entstehen, davon ein Drittel für Wohnungen. Den gesamten Planungszeitraum steckten die beiden Politiker bis weit über das Jahr 2000 hinaus ab.
Wie wichtig Hassemers Regel- Bremse werden könnte, sieht man bereits an entstehenden und geplanten Gebäuden, die an der langen Straße etwas wild ins Kraut schießen. „Die baulichen Konfigurationen müssen zueinander passen“, sagte Friedemann Kunst, Planer im Hause Hassemer, zur taz. Die angestrebten Projekte etwa an der Storkower Straße ständen „noch in Konflikt zu dem Regelwerk“. Dort plant Dominique Perrault für die Olympia Sportstättenbau (OSB) eine 26geschossige gläserne Hochhausscheibe für Büros und Dienstleitungen. Gegenüber will Aldo Rossi für die Trigon einen mächtigen postmodernen Block hochziehen. Und neben den beiden, aber ein wenig aus der Reihe, ragt bereits auf dem Papier ein Hochhaus der Architekten Schmidt/Thomson in den Berliner Planungshimmel.
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