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Ermittlungen gegen 46 Polizeibeamte

■ Vorwürfe wegen Körperverletzung im Amt verdichten sich / Innensenator Heckelmann will keine Konsequenzen ziehen

Die Vorwürfe gegen Berliner Polizisten, Vietnamesen und Skinheads mißhandelt zu haben, haben sich weiter erhärtet. Wie die taz erfuhr, hat Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) am Dienstag dem Senat berichtet, daß die Staatsanwaltschaft inzwischen insgesamt gegen 46 namentlich bekannte Polizisten ermittelt. Die Beschuldigten werden zum Teil mehrfach verdächtigt, sich der gemeinschaftlichen Hehlerei, der Körperverletzung im Amt und der Urkundenunterdrückung schuldig gemacht zu haben.

Wie die taz weiter erfuhr, richten sich die Vorwürfe im Zusammenhang mit Übergriffen auf Vietnamesen gegen 30 Beamte. In 19 Fällen sollen sie Zigaretten und Geld beschlagnahmt haben, ohne dafür Protokolle anzufertigen. Bei der im August aufgelösten geschlossenen Einheit in Kreuzberg wird gegen 16 Beteiligte ermittelt. Wie berichtet, ist zehn Beamten seit Bekanntwerden der Vorwürfe bis auf weiteres die Amtsausübung verboten worden. Gemeinschaftliche Hehlerei wird in diesem Zusammenhang sieben Beamten und Körperverletzung im Amt zum Nachteil von Skinheads acht Polizisten vorgeworfen. Hinzu kommt der Verdacht auf weitere Körperverletzungen und Urkundenunterdrückung.

In der Senatsrunde soll Heckelmann abgelehnt haben, vor Abschluß der Ermittlungen Konsequenzen zu ziehen. Einzelne Senatsmitglieder sollen allerdings in einer „sehr ernsten Diskussion“ darauf gedrängt haben, bereits jetzt über eine verbesserte Ausbildung der Polizei nachzudenken, um der Ausländerfeindlichkeit entgegenzuwirken. Auch sollte geprüft werden, ob das Personal geschlossener Einheiten häufiger ausgetauscht wird, um die Entstehung von unerwünschtem Korpsgeist zu verhindern.

Die Innenverwaltung lehnte es gestern ab, zu dem Bericht im Senat Stellung zu nehmen. Der Zwischenbericht sei außerhalb der Tagesordnung behandelt worden, sagte Heckelmanns Sprecher Norbert Schmidt, damit er eben nicht gleich öffentlich werde. Schmidt bekräftigte, daß der Innensenator zur Zeit noch keine Konsequenzen ziehen wolle, weil es sich bislang nur um Verdächtigungen handele. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Aus Polizeikreisen hieß es aber ebenfalls, daß bislang keine Notwendigkeit gesehen werde, etwa die Ausbildung zu verbessern oder das Konzept der geschlossenen Einheiten zu ändern.

Ob die Zahl der beschuldigten Polizisten weiterhin stetig zunimmt, war gestern nicht abzusehen. In der Justizpressestelle hieß es, daß in rund 50 Fällen gegen Beamte ermittelt werde. „Ein Großteil der Fälle ist noch nicht erfaßt“, sagte Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf, die mehrere vietnamesische Mandanten vertritt. Der deutsch-vietnamesische Freundschaftsverein „Reistrommel“ hatte mit Hilfe von Gedächtnisprotokollen die Übergriffe auf Vietnamesen öffentlich gemacht. Dirk Wildt

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