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Frankreich ruft nach „sauberen Händen“

■ Industrieminister tritt trotz Korruptionsvorwürfen nicht zurück

Paris (taz) – Affairen pflastern den Weg der französischen Regierung: Die neueste rankt sich um Industrie- und Außenhandelsminister Gérard Longuet. Der soll für den Bau seiner Villa in Saint-Tropez nur die Hälfte der realen Kosten gezahlt haben, meint der auf Korruption spezialisierte Untersuchungsrichter Renaud Van Ruymbeke. Der Minister, ein wichtiger Gefolgsmann von Regierungschef Edouard Balladur, hält das Ganze für ein politisches Manöver; einen Rücktritt weist er – noch? – weit von sich. Jetzt muß das Justizministerium über die Eröffnung eines Verfahrens entscheiden.

Vor Jahresfrist war Richter Van Ruymbeke per Zufall auf Longuet gestoßen. Er stellte damals Nachforschungen über 4,4 Millionen Francs (ca. 1,3 Millionen Mark) an, die aus einem Unternehmen der Saint-Gobain-Gruppe verschwunden waren (gegen deren Generaldirektor Jean-Louis Beffa inzwischen ein Verfahren läuft). Dabei stieß der Richter auf die rechtsliberale „Parti Républicain“ (PR), deren Schatzmeister zum fraglichen Zeitpunkt der jetzige Industrieminister Longuet war. Inzwischen ist Longuet zum Vorsitzenden der PR avanciert. Van Ruymbeke durchforstete Partei- und Privatkonten des Politikers und – fand dessen Anwesen an der Côte d'Azur.

An dem stattlichen Bauwerk fielen Richter Van Ruymbeke zwei Dinge auf: Der niedrige Baupreis – Herr und Frau Longuet zahlten mit 2,5 Millionen Francs (ca 0,7 Millionen Mark) nur die Hälfte der realen Kosten – und die Tatsache, daß eine Firma aus dem viele hundert Kilometer entfernten Département Meuse die Bauarbeiten durchgeführt hatte. Als das Ferienhaus entstand, war Longuet dort Parlamentsabgeordneter. In jener Zeit entstanden dort mehrere Markthallen, die allesamt von genau jener Firma gebaut wurden, die auch für Longuet im fernen Saint-Tropez tätig war.

Richter Van Ruymbeke leitet aus diesen Zusammenhängen den Verdacht auf Bestechung und Veruntreuung her. Am Dienstag leitete er sein fünfseitiges Dossier der Oberstaatsanwaltschaft zu, Auszüge erschienen in der französischen Presse. Ein sichtlich wütender Longuet wies alle Vorwürfe von sich und bezeichnete sich selbst als Opfer einer politischen Kampagne. Sein Regierungschef Balladur war vorsichtiger. Er verwies auf „Recht und Würde“ des einzelnen vor dem Gesetz.

Das Longuet-Dossier ist die zweite Affaire der konservativen Regierung binnen weniger Wochen. Im Juli mußte bereits Medien-Minister Alain Carignon zurücktreten, nachdem ein Korruptionsverfahren gegen ihn eröffnet worden war.

Die Vorwürfe gegen Longuet wiegen besonders schwer, da der Chef der PR seit Monaten offen die Präsidentschaftskandidatur von Balladur unterstützt. Damit sprach er sich implizit gegen Kandidaturen der beiden anderen konservativen Anwärter aus: der Bürgermeister von Paris, Jacques Chirac, und der Chef der liberalen UDF, Valéry Giscard d'Estaing. Da inzwischen – sieben Monate vor dem Urnengang – die heiße Phase der Kandidatenkür begonnen hat, in der sich die Anhänger der verschiedenen Lager mit allen möglichen Mitteln bekämpfen, sind weitere Enthüllungen über Affairen nicht unwahrscheinlich.

Korruptionsverfahren laufen gegenwärtig auch gegen zahlreiche konservative Provinzpolitiker und gegen eine steigende Zahl von Spitzenmanagern. Die Stimmen, die eine „Aktion saubere Hände“ nach dem italienischen Vorbild auch für Frankreich fordern, mehren sich. Am extremen rechten Rand des Spektrums bereiten „Front National“, aber auch Politiker aus dem Regierungslager bereits einen Wahlkampf „gegen den Sumpf“ vor. Dorothea Hahn

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