: Schlechte Zeiten für die „Republikaner“
■ Das Kreuz mit dem Kreuz – eine taz-Reihe zum Bundestagswahlkampf in Berlin: Die rechtsextremen Parteien sind abgeschlagen / Polit-Sekte mit Landesliste
Wenn der Landesgeschäftsführer der rechtsextremen „Republikaner“ (Reps), Sven Thomas Frank, in diesen Wochen um eine Prognose gebeten wird, fällt ihm die Antwort sichtlich schwer: „Fragen Sie mich nach der Bayernwahl.“ Sollte im Freistaat an diesem Sonntag der Einzug ins Landesparlament verpaßt werden, droht den Reps in Berlin der Absturz. Bereits bei der Europawahl, die von den Bürgern zur Abstrafung der Großen genutzt wurde, erzielte der Landesverband nur knapp über drei Prozent der Stimmen. Nachdem der Rep-Bundesvorsitzende Franz Schönhuber vor einigen Wochen mit dem Chef der Deutschen Volksunion (DVU), Gerhard Frey, öffentlich kungelte, herrscht allgemeine Verunsicherung. „Wir gehen“, sagt ein Mitglied des Landesverbandes, „ganz, ganz schlechten Zeiten entgegen.“
Die kürzlich erfolgte Einstufung als „rechtsextremistische Partei“ im Berliner Verfassungsschutzbericht 1993 hat viele Rep- Mitglieder zusätzlich in Unruhe versetzt. Die Partei, die 1989 mit dem Einzug ins Westberliner Abgeordnetenhaus auf Landesebene ihren bislang größten Erfolg feierte, steckt in einer tiefen Krise. Die Zahl der Mitglieder sank nach Angaben des Landesverbandes von rund 1.300 zur Jahreswende 1993/94 auf nunmehr 1.080. Das sei, so meint Frank, unter anderem auf die „Entfernung von Karteileichen“ zurückzuführen. Dennoch gesteht er selbstkritisch ein, daß mittlerweile in den Westbezirken ein „Sättigungsgrad“ erreicht ist. Nur im Ostteil gebe es in letzter Zeit „leichte Zuwächse“.
Das Bild der Partei ist desolat: in einigen Bezirksverordnetenversammlungen nur noch Rumpf- Fraktionen, in Mitte kehrten gar zwei von drei BVV-Mitgliedern der Partei den Rücken. Von den einst vier Stadträten nach der Kommunalwahl von 1992 ist nur noch Ingeborg Seifert aus Reinickendorf im Amt. Ihre männlichen Kollegen wurden in den vergangenen anderthalb Jahren von den demokratischen Parteien abgewählt.
Zwischen 60.000 und 80.000 Mark will der Berliner Landesverband für die Bundestagswahl ausgeben. Die Plakate lassen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig: Mit den Slogans „Rechts vor Links“, „Arbeit für Deutsche“ und „Ordnung schaffen“ soll das Milieu mobilisiert werden. In 12 der ingesamt 13 Berliner Wahlkreise wurden Direktkandidaten aufgestellt. Nur in Mitte/Prenzlauer Berg konnten die Reps ihren Kandidaten Detlef Mahn nicht plazieren. Der Kandidat hatte von der Basis nur 42 von 88 Stimmen erhalten und damit nach Ansicht des örtlichen Wahlkreisausschusses die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt. Die Entscheidung war anschließend vom Landeswahlausschuß bestätigt worden. Daraufhin legten die Reps Einspruch beim Verwaltungsgericht ein. Der Fraktionsvorsitzende in der BVV von Friedrichshain wäre wohl ohnehin kein Vorzeige-Kandidat gewesen: Erst vor wenigen Tagen wurden er und ein Parteifreund von einem Gericht zu einer hohen Geldstrafen wegen Volksverhetzung verurteilt, weil sie 1993 in einem Brief an den Gesundheitssenator Peter Luther Schwule und Lesben beschimpft hatten.
Auf Platz 1 der Landesliste wurde der Landesvorsitzende Werner Müller nominiert. Der Ministerialdirektor a.D., einst SPD- Mitglied und Mitarbeiter im Bundespresseamt, gilt als getreuer Schönhuber-Mann. Folglich enthielten sich die Berliner Reps nach der DVU-Liebelei jeder offiziellen Kritik am Bundesvorsitzenden – ganz im Gegensatz zu den Landesverbänden aus Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Bei der Bundestagswahl 1994 stehen die Reps als stramme Rechtspartei fast alleine auf weiter Flur. Ernsthafte Konkurrenz ist nicht auszumachen. Die DVU verzichtete bundesweit auf eine Kandidatur, und auch die verbleibenden Parteien mit einigem Gewicht, wie die NPD, treten in Berlin nicht an. Die rechtskonservative Deutsche Soziale Union (DSU), die nach der Wende in der DDR von der CSU mit erheblichen Mitteln unterstützt wurde, bekam in Berlin nie einen Fuß in die Tür.
Als ebenso hoffnungsloser Außenseiter gilt die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“, die mit einer sechsköpfigen Landesliste antritt. Hinter dem harmlos klingenden Firmenlogo versteckt sich die Europäische Arbeiterpartei (EAP) des US-Amerikaners Lyndon LaRouche. Der Millionär war Anfang dieses Jahres nach fast sechsjähriger Haft in den USA auf Bewährung entlassen worden. 1988 hatte ihn ein Gericht wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einer 1992 veröffentlichten Studie einer Projektgruppe der Freien Universität zählt die EAP, die in den achtziger Jahren in der Bundesrepublik unter anderem die Tarnorganisation „Patrioten für Deutschland“ ins Leben rief, zu den weltweit aktivsten neonazistischen Sekten.
Berliner Spitzenkandidatin der „Bürgerrechtsbewegung“ ist Lyndons Ehefrau Helga Zepp- LaRouche, die unter dem Motto: „Wir haben das Patentrezept“ von Plakaten herunterlächelt. Die Journalistin hetzte bereits mit ihren „Patrioten für Deutschland“ Anfang der achtziger Jahre in der Bundesrepublik gegen den Internationalen Währungsfonds, Juden und Kommunisten.
Frank Hahn, dessen Frau auf der Berliner Landesliste kandidiert und der selbst Mitglied des Bundesvorstandes der „Bürgerrechtsbewegung“ ist, sieht seine Partei als Opfer einer weltweiten Verschwörung. Die Berichte der Medien seien das Ergebnis eines „unsäglichen Zusammenspiels von Stasi, Bush (ehemaliger US-Präsident – die Red.) und der Drogenmafia“. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen