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Proteste gegen deutsche Nazis in Dänemark

■ Der 76jährige Thies Christophersen, wegen Leugnung der Judenvernichtung in Deutschland verurteilt, kündigt nach Demonstrationen vor seinem Haus in Dänemark die Rückkehr aus seinem Exil an

Kopenhagen (taz) – Immer mehr Dänen protestieren gegen die Aktivitäten deutscher Neonazis in ihrem Land. Nachdem über 1.500 Menschen am Samstag mit Fackeln vor seinem Haus demonstriert hatten, gab der 76jährige Thies Christophersen am Wochenende bekannt, daß er Anfang 1995 nach Deutschland zurückgehen will. Christophersen wohnt seit September 1986 in Kollund, einem kleinen Dorf zwei Kilometer vor der Grenze zur Bundesrepublik.

Im Februar 1988 beantragten die bundesdeutschen Behörden vergeblich die Auslieferung des 76jährigen, der die Vernichtung von Juden im „Dritten Reich“ leugnet und in Deutschland zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Zwei dänische Gerichtsinstanzen lehnten den Antrag ab. Begründung: Die Straftaten, für die Christophersen in der BRD verurteilt ist, seien in Dänemark nicht strafbar.

Thies Christophersen war nach eigenen Angaben 1944 als „Sonderführer“ im Auschwitz-Nebenlager Raisko tätig. 1973 brachte er das Pamphlet „Die Auschwitz- Lüge“ heraus. Seit 1976 wurde er in der BRD wegen seiner Verbreitung von Nazi-Propaganda zu mehreren Geldstrafen verurteilt.

1981 verurteilte ihn das Flensburger Landgericht zu elf Monaten Freiheitsentzug. Im gleichen Jahr flüchtete er nach Belgien, wurde jedoch bei Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis im August 1983 an der deutsch-belgischen Grenze „formlos abgeliefert“. Nach neuen Urteilen ging er 1986 nach Kollund, wo er seitdem eng mit dänischen Neonazis kooperiert und einen neonazistischen Verlag betreibt. Die Grenznähe erwies sich als günstig für den illegalen Export der in der BRD verbotenen Druck-Erzeugnisse.

Ein anderer Vertreter der deutschen neonazistischen Szene, Meinolf Schönborn – Führungsfigur der in der BRD verbotenen Nationalistischen Front (NF) – hatte sich am letzten Wochenende im September aus Kvaers im deutsch-dänischen Grenzland zurückziehen müssen. Dort hatte Schönborn im Sommer 1994 seine Druckerei eingerichtet und damit einiges Aufsehen in Dänemark erregt. Obwohl Thies Christophersen und sein dänischer Partner Henry Krog Pedersen seit Mitte der achtziger Jahre in Kollund wohnen, hat erst die Kvaers-Druckerei größere Proteste hervorgerufen.

Die Demonstration am vergangenen Samstag abend in Kollund verlief im ganzen gesehen friedlich. „Eine kleine Gruppe von Jugendlichen“ habe am späten Abend das Haus mit Steinen, Flaschen und brennenden Fackeln beworfen, erklärte die Polizei. Der dänischen Nachrichtenagentur Ritzaus Bureau sagte Christophersen am Tag darauf, er werde Anfang 1995 – nach einer Operation im Krankenhaus in Odense im Januar – nach Deutschland zurückkehren, um seine Gefängnisstrafe auf sich zu nehmen. Ein Jurist erklärte gegenüber der dänischen Zeitung B.T., Christophersen sei „jetzt so alt, daß er in Deutschland nicht ins Gefängnis muß“. Die sozialdemokratisch geführte dänische Regierungskoalition setzt ihre Beratungen über eine Verschärfung des „Rassismusparagraphen“ des dänischen Strafgesetzbuches fort. Niels Rohleder

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