: Streit in der Regierungspartei? Drogen? Beides!
■ Mexiko: Politikermord enthüllt Filz von Drogenkartellen und PRI-Funktionären
Mexiko-Stadt (taz) – „Wer ist der nächste?“ fragt der Schriftsteller Carlos Fuentes in einem Zeitungskommentar. Der Mord an PRI-Generalsekretär Francisco Ruiz Massieu am vergangenen Mittwoch in Mexiko-Stadt öffne – so Fuentes – „jeden Tag neue Kloaken, neue kriminelle Vereinigungen und obskure Seilschaften“.
Tatsächlich scheint die Bundesstaatsanwaltschaft bei ihren Nachforschungen so etwas wie eine Büchse der Pandora geöffnet zu haben. Als Hauptverantwortlicher für das Attentat auf den PRI-Reformer wird mittlerweile ein Parteifreund gesucht, der Bundesabgeordnete Manuel Muñoz Rocha. Zunächst waren die Untersuchungen noch zweigleisig gelaufen: Während man am Wochenende „einer Reihe von PRI-Abgeordneten“ auf den Zahn fühlte, führten andere Spuren zu Juan Garcia Abrego, einem der Chefs des Drogenkartells von Matamoros, kurz „Golfkartell“. Nachdem Dutzende von Verdächtigen ausfindig gemacht werden konnten, scheint sich der oft gehegte und selten bewiesene Verdacht zu bestätigen: ein dichtes Netz aus familiären Bindungen und politischen Gefälligkeiten zwischen Regierungsfunktionären und Drogenbossen. Es gebe, so die Justizfahnder, Hinweise darauf, daß in den Mordanschlag „offensichtlich auch die Interessen wichtiger Gruppen in der nationalen Politik verwickelt“ seien. Polizeibeamte nehmen derzeit den „University Club“ in Mexiko-Stadt unter die Lupe, einen Politikertreff im Zentrum.
Die beiden vermuteten Mordmotive – politische Reformen zu verhindern oder die Drogenbekämpfung zu schwächen – werden selbst von der Staatsanwaltschaft nicht mehr alternativ untersucht. Nicht zufällig ist die Heimat des wohlhabenden Viehzüchters Muñoz Rocha – der Bundesstaat Tamaulipas – einer der wichtigsten Umschlagplätze für den Kokainhandel und der Sitz des berüchtigten Golfkartells. Um den Flüchtigen selbst zur Rede stellen zu können, berät das Parlament jetzt über die Aufhebung der Immunität des PRI-Abgeordneten.
Trotz alledem: Von den „möglicherweise kriminellen Handlungen“ des Manuel Muñoz Rocha dürfte keinesfalls auf die gesamte Fraktion geschlossen werden, beeilte sich am Montag abend der PRI-Vorsitzende Ignacio Pichardo, das angeschlagene Image seiner Partei zu retten.
Und auch die frischgekürte Nachfolgerin des ermordeten Generalsekretärs, Maria de los Angeles Moreno, bezeichnete das Attentat als „reine Gangsterangelegenheit“. Gleichzeitig kündigte sie, ganz auf der Verhandlerlinie ihres toten Vorgängers, einen „pluralen Dialog mit allen politischen Kräften des Landes“ an. Anne Huffschmid
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