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Blair lernt die „clintoneske“ Kunst der Niederlage

■ Britischer Labour-Parteitag verhindert Modernisierung des Parteistatuts / Blair: Macht nichts / Wie schmeichelhaft sind Vergleiche zwischen Blair und Clinton?

Dublin (taz) – Die Entscheidung des Parteitages habe nicht die geringste Bedeutung, behauptete der sichtlich angeschlagene britische Labour-Chef Tony Blair gestern. Am Vortag hatten ihm die Parteitagsdelegierten in Blackpool eine knappe, aber empfindliche Abstimmungsniederlage beigebracht: Mit 50,9 gegen 49,1 Prozent der Stimmen bestätigten sie den Paragraphen vier der Parteisatzung, dessen Abschaffung Blair in seiner Rede am Dienstag angekündigt hatte. Darin geht es um das „öffentliche Eigentum der Produktionsmittel zur Sicherung einer gerechten Verteilung“ des Wohlstands; er gilt als Garant sozialistischer Zielsetzungen.

Hinter den Kulissen hatte der Parteivorstand am Donnerstag vergeblich versucht, die Glasgower Delegierten zur Rücknahme ihres Antrags zu bewegen, in dem sie den Parteitag zur Bestätigung des Paragraphen vier aufgefordert hatten. So kam es zu einer hitzigen Debatte, die in dem Ausruf des Glasgower Delegierten Jim Mearns gipfelte: „Genossen, laßt die rote Fahne wehen!“ Die Labour Party hat die rote Fahne jedoch schon längst eingeholt, die Debatte war lediglich Spiegelfechterei. Blair wertete seine Abstimmungsniederlage gar als Sieg: Das knappe Ergebnis beweise, wie weit die Partei in den 48 Stunden seit seiner Rede bereits auf seine Ansicht über den umstrittenen Paragraphen eingeschwenkt sei. Deshalb werde er mit der Modernisierung der Satzung unbeirrt fortfahren und auf dem nächsten Parteitag eine Neufassung vorlegen.

Er ist sich seiner Sache relativ sicher, da die großen Gewerkschaften ihre Unterstützung signalisiert haben – nicht sie, sondern radikale Delegierte aus den Labour-Ortsverbänden haben Blairs Niederlage zu verantworten. Zwar fragte Bergarbeiterführer Arthur Scargill, warum Blair einer Partei vorstehe, an deren Satzung er nicht glaube, doch Alan Johnson von der Kommunikationsgewerkschaft sagte, der Paragraph vier „wurde 1918 von zwei Mittelschichtlern geschrieben und ist heute genauso relevant wie eine Gary-Glitter-Langspielplatte“.

Blair mußte noch einen Dämpfer einstecken: Gegen seinen Willen stimmte der Parteitag für die Senkung des britischen Rüstungshaushalts auf den europäischen Durchschnitt und die Einmottung des Trident-Atomwaffenprogramms. Zwar sind Parteitagsbeschlüsse nicht bindend, doch für die Tories waren Blairs Probleme ein gefundenes Fressen. „Es ist dieselbe alte Labour Party“, sagte Tory-Parteichef Jeremy Hanley, „die Partei, die sich weigert, den Sozialismus neu zu definieren.“

Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Tories beunruhigt sind. Selbst Zeitungen, die traditionell die Konservativen unterstützen, schreiben inzwischen wohlwollend über Blair und seine – immer noch recht vage – Reformpolitik. In Meinungsumfragen liegen die Tories mehr als 20 Prozent hinter Labour. Industrieminister Michael Heseltine beschwor denn auch seine konservativen Parteigenossen, jetzt bloß nicht die Nerven zu verlieren. Man müsse auf dem Tory-Parteitag nächste Woche die Taktik beibehalten, Blair in den Bereichen „Recht und Ordnung, Steuerpolitik, Bildung und Gesundheitswesen zu attackieren“. Vorsorglich beschaffte Finanzminister Kenneth Clarke schon Zündstoff für die nächste Begegnung zwischen John Major und Bill Clinton: Er beschimpfte Tony Blair als „clintonesk“. Ralf Sotscheck

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