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Der Kanzler kündigt den Rücktritt an

■ Bei einem Wahlsieg will der CDU-Chef nur bis 1998 regieren: „Das ist eine recht lange Zeit“

Bonn (taz) – Deutschland bald ganz allein. Egal wie die Wahl am 16. Oktober ausgeht: Die Bundesrepublik muß ohne Helmut Kohl ihren Weg ins nächste Jahrtausend finden. Falls die Wählerinnen und Wähler ihn in neun Tagen nicht ohnehin in den verdienten Ruhestand schicken, will er in vier Jahren aus freien Stücken seinen Schreibtisch räumen, erklärte der Kanzler gestern in Bonn.

Wieviel Kohl erträgt das Land? Das Generalthema seiner gestrigen Bilanz- Pressekonferenz hatte der Koalitionschef durch eine Äußerung in seinem Haus- und Privatsender Sat.1 selbst vorgegeben. Dort hatte er den Eindruck erweckt, er werde im Falle eines Wahlsieges nur noch bis 1998 zur Verfügung zu stehen.

Eine klare Auskunft über seine Absichten im Falle eines Wahlsiegs mußte Kohl allerdings gestern von Journalisten förmlich abgepreßt werden. Erst nach vielen Nachfragen kam dem Kanzler gegen Ende der einstündigen Pressekonferenz das entscheidende Zitat über die Lippen: „Ich bleibe dabei, daß ich 1998 nicht wieder kandidieren werde.“ Zuvor hatte sich der CDU-Chef in allgemein gehaltenen Formulierungen gewunden und dabei den Eindruck erweckt, er wolle sich bewußt nicht festlegen.

Kohl bemühte sich um ein Bild der Selbstgewißheit und Zuversicht. Der 64jährige beanspruchte in fast großherziger Pose, die Presse darüber aufzuklären, was denn eigentlich los sei draußen im Land und wie sich das alles verhalte in der Politik. Wer nachfragte, mußte einfach schlecht informiert sein: „Ich weiß nicht, wo Sie das herhaben, vielleicht haben Sie Magazine gelesen.“ Das Selbstlob hatte Kohl mit einem Blick auf die neuen Länder eingeleitet: Dort gehe es „rapide aufwärts“, sie seien inzwischen die wachstumsstärkste Region in Europa, der Beschäftigungsrückgang sei beendet, die Arbeitslosigkeit sinke.

Die alten Bundesländer glänzen in den Augen des Kanzlers durch ähnlich paradiesische Zustände: „Aufwärtsentwicklung“, „gesamdeutsches Wachstum von 2,5 Prozent“, eine „positive Wende am Arbeitsmarkt“ und eine stabile Währung. Dazu die wirtschaftlichen Aussichten: rosig.

Fremdenfeindlichkeit, Langzeitarbeitslose, die wachsende Zahl von Obdachlosen, die Entsolidarisierung der Gesellschaft oder der Rechtsextremismus waren dem CDU-Kanzler im Rückblick auf die vergangene Legislaturperiode keine Thematisierung wert.

Rechtsextremismus? Im Wahlkampf waren dem Kanzler „Störer und Gewalttäter von links- und rechtsradikaler Seite“ aufgefallen, wie er erklärte. Seine Abstufung der Gefährlichkeit: „Nach meinen Beobachtungen sind die Linksradikalen besonders aggressiv.“

Auch der von der CDU-Kampagne verbreitete Vorwurf, SPD-Chef Rudolf Scharping wolle eine gemeinsam mit Bündnis 90/ Die Grünen und PDS errungene Mehrheit der Stimmen in Bonn zum Regieren nutzen, fehlte in Kohls Abrechnung gestern nicht: „Darüber gibt es für mich keinen Zweifel, daß das die Absicht ist und auch die Absprache.“

In der Nachfolgefrage, die in der Union immer offener diskutiert wird, war von Kohl gestern keine Klärung zu erwarten. Seine Nachfolge werde „in gegebener Zeit und in würdiger Weise“ entschieden, sagte der CDU-Chef.

Der geschichtsbewußte Kanzler versicherte, er zähle beim Aufwachen nicht die Tage, bis er die 14jährige Amtszeit des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer eingeholt habe. Dieser verhängnisvolle Rekord droht im Herbst nächsten Jahres. Am Ende einer weiteren Amtszeit hätte er immerhin 16 Jahre lang die Regierung geführt, rechnete Kohl vor. Seine Einschätzung: „Das ist eigentlich doch eine recht lange Zeit.“ Hans Monath Seite 10

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