: Treten Haitis Junta-Chefs heute zurück?
■ Gespräche zwischen Militärführung und US-Regierung / Amnestiegesetz passiert Senat / Sechs Menschen sterben bei Attentat auf Demonstranten
Port-au-Prince/Washington (AFP/dpa) – Mindestens sechs Menschen starben am Samstag, als sie an einer Demonstration für den gestürzten haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide teilnahmen. Der haitianische Rundfunk berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, ein vollbesetztes Auto sei in die Menge gerast, gleichzeitig sei auf die Demonstranten geschossen worden. Der Zwischenfall ereignete sich in Bois Neuf, einem Dorf im Landesinneren, wo offenbar keine US-Soldaten zum Schutz der Bevölkerung anwesend waren. In Cap Haitien, der zweitgrößten Stadt des Landes, war es in der vergangenen Woche zu einem ähnlichen Zwischenfall gekommen. Dort waren 9 Menschen verletzt worden, als ein Aristide-Gegner in einen Protestzug fuhr. Aristide will bis zum 15. Oktober in sein Land zurückkehren.
Unterdessen haben in Haiti nach Verabschiedung des Amnestiegesetzes die Spekulationen verstärkt, daß Junta-Chef Raoul Cédras und Armeeführer Philippe Biamby bereits am heutigen Montag zurücktreten. Nach US-Medienberichten aus Port-au-Prince sollen Abgesandte von Cédras eine Übereinkunft für dessen Rücktritt bei einem Treffen mit US-Regierungsbeamten am Samstag in Washington ausgearbeitet haben. Cédras traf in der haitianischen Hauptstadt mit US-Verteidigungsminister William Perry und Generalstabschef John Shalikashvili zusammen. Nach dem Abgeordnetenhaus hatte am Freitag auch der Senat Haitis ein Gesetz zur Amnestierung der Militärjunta verabschiedet. Das Gesetz soll am Mittwoch in Kraft treten. Sein Text läßt jedoch die Reichweite der Amnestie offen. Anhänger des gewählten haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide haben im Parlament betont, daß die Strafverschonung Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausnimmt.
Nach dem mit den USA ausgehandelten Abkommen müssen Cédras und Biamby nach Verabschiedung eines Amnestiegesetzes, in jedem Falle jedoch bis spätestens 15. Oktober, abtreten. Der dritte Juntaführer, Michel François, ist bereits am Dienstag in die benachbarte Dominikanische Republik geflohen. – Die Washington Post schrieb am Samstag, daß die USA Aristide zur Einsetzung eines gemäßigten Regierungschefs drängen, der auch der kleinen reichen Elite in Haiti genehm ist. Ganz oben auf der Liste stehe Robert Malval, der Aristide vorübergehend als Premier diente. Malval, ein reicher Geschäftsmann, hat sich jedoch Anfang des Jahres mit Aristide überworfen. Die USA wollten verhindern, daß Aristide zu sehr auf eine klassenkämpferische Politik in Haiti setzt, die das Land polarisierte.
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