piwik no script img

Der Robin Hood von Mitte

■ Leerstehende Möbelfabrik Veteranenstraße 11-13 soll Künstlern nützen

Ein eisiger Herbstwind streicht um die Bäume des Weinbergparks, nach letzten Blättern trachtend, und kriecht langsam die Veteranenstraße in Mitte hinauf. Eine kleine Menschenmenge, die sich vor dem Haus Nummer 13 versammelt hat, drängt näher aneinander, Hälse werden eingezogen, Jacken zusammengezurrt. Die murrenden Herren und Damen sind Bewohner der hauptstädtischen Medienlandschaft, der Anlaß für ihre Zusammenkunft ist eine Pressekonferenz im Freien, zu der die „Berlin Invest AG“ (Biag) geladen hatte. Hinter dieser Firmenneugründung verbirgt sich ein Häuflein unausgelasteter Kunstaktivisten aus dem Umfeld der Aktionsgruppe „Vereinigte Varben Wawavox“. Die selbsternannte „Kunstfirma“ hat es sich zu Aufgabe gemacht, „innerstädtisches Brachland“ vor dem Zugriff profitorientierter Privatbesitzer zu retten und obdachsuchenden Künstlern zu überlassen. Als erstes Objekt seiner karitativen Tätigkeit haben sich die eigennützigen Robin Hoods das seit 1990 leerstehende Gebäude der ehemaligen Möbelfabrik Höffner in der Veteranenstraße 11-13 ausgewählt. Höffner wagte hier in den zwanziger Jahren ein neues Firmenkonzept, das die Bereiche Arbeit, Wohnen und Leben miteinander verband: Arbeiterwohnungen, Fabrikhallen und das Apartment der Höffners befanden sich in einem Gebäudekomplex.

B. Förster-Baldenius, Planungsbüroleiter der Aktiengesellschaft: „Die Räumlichkeiten eignen sich hervorragend für ein Zentrum verschiedenster künstlerischer Betriebe. Hier besteht die Möglichkeit, ein Zentrum all derer zu schaffen, die durch fehlende Infrastruktur bislang allein im Hinterzimmer werkelten.“ Der sonst steife Aktionär gerät ins Schwärmen: „Endlich könnten längst benötigte Querverbindungen zwischen unabhängiger Filmproduktion, Independent-Plattenlabels, Stadtteilmedien, Literaturverlagen etc. geschaffen werden.“

Eine anschließende Führung durch die Räumlichkeiten gibt den Schwärmern Recht: Durch eine großräumige Eingangshalle, die einst zur Präsentation von Möbelstücken diente, führen schmale Wendeltreppen hinauf zu ausladenden, hellen Fabriketagen. Der Ausblick über Baumwipfel hinweg auf die gesamte Innenstadt raubt dem Betrachter schier den Atem.

Von den hochfliegenden Träumen zurück auf die naßkalte Erde bringt uns der Bericht des Biag- Vorstandsmitglieds Frau Dr. Ingeborg Bunge über die bestehenden Besitzverhältnisse: der Eigentümer habe bereits einen Antrag auf Abriß aller drei Häuser gestellt. Um das Haus für die Kultur zu retten, würden die Biag-Aktionäre notfalls auch auf unkonventionelle Mittel zurückgreifen: „Eine Hausbesetzung wäre natürlich sehr stressig. Um damit erfolgreich zu sein, muß man das hauptberuflich betreiben. Diesen Schritt behalten wir uns für den Fall vor, daß alle anderen Versuche mißlingen.“ Zuvor soll aber eine Intervention bei Senator Roloff-Momin versucht werden. Noäl Rademacher

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen