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Abstecher in die „Twilight Zone“ Von Manfred Riepe

Wer die „Wahrheit“ vom 19. April gelesen hat, weiß, daß der Schreiber dieser Zeilen nur auf Bewährung studiert und sich deswegen halbjährlich an der Universität rückmelden muß. Es war wieder einmal soweit.

Auf dem Weg beschlich mich eine unangenehme Empfindung. Nicht das schlechte Gewisen, wieder an mein gesamtgesellschaftlich nutzloses Karteileichendasein erinnert zu werden, bedrückte mich. Nein: Was, fragte ich mich, wenn die Rückmeldeformalität bei diesem nunmehr vierundzwanzigsten Versuch endlich einmal vollkommen reibungslos und ohne Schwierigkeiten, Verzögerungen oder bürokratische Behinderungen vonstatten gehen würde?

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da stand ich bereits vor dem verschlossenen Studentensekretariat. Es gibt Dinge, die man zwar sinnlich registriert, aber nicht sofort versteht. Daß das Büro geschlossen hatte, ist eine Eventualität, die ich beim besten Willen nicht vorhersehen konnte. Wenn man nur jedes halbe Jahr diesen Ort aufsucht, wie soll man sich dann merken, daß das Studentensekretariat ausgerechnet dienstags nur nachmittags geöffnet hat? Verärgert und ein wenig verblüfft über die Phantasie der Bürokraten, die mich wieder einmal getäuscht hatten, dachte ich über ein Rückmelde-Service-Unternehmen nach. Wie man sein Auto nicht selbst zum TÜV fahren muß, sollte man auch die Rückmeldeprozedur zu treuen Händen geben können. Trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, daß ich mich umsonst zur Universität bewegt hatte. Einem Ort, an dem ich nicht einmal Gedichte schreiben würde.

Na ja, dann schaue ich wenigstens auf dem Rückweg bei Kaufhof rein, um das billige Fotokopierpapier zu kaufen. Schließlich kommt am Nachmittag Gerhard vorbei, um die Übersetzung von Bernhard Baas' „Die phänomenologische Ausarbeitung des Objekts klein a: Lacan mit Kant und Merleau- Ponty“ auszudrucken. Allein, der Aufenthalt in der Schreibwarenabteilung bei Kaufhof deprimierte mich. Füllfederhalter, Ringbucheinlagen und Leitz-Ordner sind gräßliche Gegenstände. Locher und Tacker sind von übler Natur. Plexiglas-Papierablagen sind grausam, und buntgescheckte Notizbücher sind bestens geeignet, mich in eine nachhaltige Melancholie zu stürzen (in „Sans Soleil“ berichtet Chris Marker, ein Japaner habe sich umgebracht, weil er das Wort „Frühling“ nicht mehr ertragen konnte). Als ich mich umdrehe, sehe ich, daß die Frau von der Wursttheke gegenüber mich fixiert. Wie hypnotisiert trete ich heran und bestelle Blutwurst. Als sie die Scheiben zu dick schneidet, duldet sie meinen Widerspruch nicht. „Diese Blutwurst“, sagt sie entschieden, „müssen Sie in dicken Scheiben essen, denn sie ist ohne Gelantine gemacht. Die meisten Metzger verwenden heutzutage Bindemittel. Sie haben zuwenig Blut.“

Den letzten Satz sagte sie eindringlich und mit einer gewissen auffordernden Wehmut. Irritiert kaufte ich an einer anderen Theke drei Brötchen: „Macht zwoachzich.“ Was für eine Welt. Ernsthaft werde ich darüber nachdenken, mich fortan postalisch rückzumelden. Vielleicht kann man das auch demnächst via Glasfaser erledigen. Bildtelefon kommt mir nicht ins Haus.

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