piwik no script img

Niedere Motive im Hohen Haus

■ Antje Vollmer soll nicht präsidieren

Bonn (taz) – Noch hat sich der Bundestag nicht konstituiert, schon hat er seinen ersten Konflikt: Dürfen die Bündnisgrünen eine der vier stellvertretenden Bundestagspräsidentinnen stellen? Die Grünen meinen ja und nominierten auf ihrer ersten Fraktionssitzung ihre Kandidatin Antje Vollmer. Doch offenbar haben sich die „Altparteien“ mit der parlamentarischen Gleichberechtigung der Grünen noch immer nicht abgefunden.

Bislang besetzen Union und SPD jeweils zwei Sitze im Präsidium, die FDP einen. Als 1987 die Grüne Christa Nickels für das Amt kandidierte, wurde der Anspruch mit dem Argument abgelehnt, ein Sitz im Präsidium stünde nur den drei stärksten Fraktionen zu. Dies sei guter Bonner Brauch. Stimmt: Auch das Bundestagshandbuch sagt eindeutig, daß der drittstärksten Fraktion ein Stellvertreter zusteht.

Blöderweise stellen nun nicht mehr die Liberalen, sondern die Grünen die drittstärkste Fraktion. So ginge der FDP das Amt verloren. Und beim Koalitionspartner hält sich die Lust in Grenzen, die gebeutelte FDP zugunsten der Grünen zu düpieren. Die CDU interpretiert den bisherigen FDP-Sitz als Sitz der Union, den diese dann an den kleineren Koalitionspartner abtritt. Auch die SPD kommt den Grünen nicht entgegen. Sie hat ihr Präsidiumspaket, Ulrich Klose und Anke Fuchs, schon geschnürt, also keinen Sitz zu vergeben. Die neue grüne Fraktionsspitze wertete gestern die Versuche, die Grünen aus dem Präsidium zu halten, als „Wiederanknüpfen an die früher praktizierte Diskriminierung“. Joschka Fischer forderte deshalb Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth auf, sich dafür einzusetzen, „daß die drittstärkste Kraft im Parlament auch im Präsidium vertreten ist“. Im Interview mit der taz hat sich Antje Vollmer über ihre Vorstellungen von dem Amt geäußert: „Aus grüner Sicht wäre es ein Schritt in Richtung auf das Zentrum der Republik.“ Matthias Geis

Tagesthema Seite 3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen