: Knöchernes Aidsrisiko
Auf Anraten des Sozialministeriums sollen Niedersachsens Knochenbanken bis auf weiteres geschlossen bleiben / Transplantationen bergen Gefahr der Infektion mit dem HI-Virus ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Die Ersatzteillager menschlicher Knochen, die sogenannten Knochenbanken, sollen in niedersächsischen Krankenhäusern vorerst geschlossen werden. Dies hat das Sozialministerium in Hannover jetzt empfohlen, um eine Übertragung von Aids durch Knochentransplantationen auzuschließen. Nur die Universitätskrankenhäuser des Landes, in denen seit Jahren besondere Sicherheitsstandards gelten, dürfen weiterhin Knochen verpflanzen. Darüber hinaus bietet Niedersachsen jetzt allen Patienten, denen fremde Organe implantiert wurden, einen kostenlosen Aidstest an.
Über das Aidsrisiko durch Transplantationen denkt man im Landessozialministerium intensiv nach, seit bekannt ist, daß im Jahre 1984 sieben Patienten durch Organe eines hannoverschen Drogentoten mit dem HI-Virus infiziert wurden. Auch heute noch bestehe ein gewisses Aidsrisiko, wenn Organe von gerade verstorbenen Spendern, in der Regel von Unfallopfern, übertragen würden, erklärte gestern Adolf Windorfer, Chef der Gesundheitsabteilung des Ministeriums.
Nach Meinung Windorfers läßt sich gerade bei Unfallopfern, bei sogenannten Totspendern, eine HIV-Infektion auch durch einen Aidstest nicht ausschließen. Diese Spender hätten oftmals so viele Bluttransfusionen bekommen, daß der HIV-Test verfälscht werde. Das daraus resultierende Aidsrisiko müsse man in Kauf nehmen, wenn schwerkranke Patienten dringend auf eine Organspende angewiesen seien.
Bei Knochentransplantationen, die in Deutschland im Jahr etwa 15.000 bis 20.000 mal durchgeführt werden, sei dieses Risiko allerdings vermeidbar. So würden etwa in den niedersächsischen Universitätskliniken nur noch dann Knochen von Unfallopfern in Knochenbanken eingelagert, wenn diesen Totspendern gleichzeitig weitere Organe zur Übertragung entnommen wurden. Erst wenn sich definitiv herausgestellt hat, daß diese Organe HIV-frei waren, werden auch die tiefgekühlten Knochen zur Transplantation freigegeben.
Windorfer bemängelte gestern, daß es zwar für sogenannte Lebendspender seit langem Richtlinien gäbe, um HIV-Infektionen zu vermeiden. Eine entsprechende Regelung für Totspender fehle allerdings bis heute.
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