: Renaissance der Elbschiffahrt
■ Die Schnellfähre zwischen Hamburg und Stade könnte eine neue Ära des Personenverkehrs im Großraum Hamburg einleiten Von Florian Marten
Noch sind es nur Testfahrten: Seit einer Woche jettet der Schnell-Katamaran Sea Shuttle täglich bis zu fünfmal zwischen Hamburg-Landungsbrücken und Stader Sand. In nur 45 Minuten kann das 50 Stundenkilometer flotte Gefährt 170 Menschen in seinen blauen, flugzeugähnlichen Sitzen von der City ins Herz des Alten Landes schleudern, eine Zeit, bei der weder Fahrrad, Bundesbahn noch PKW mithalten können. Schon heute ist das Boot fast immer voll, besonders bei den Nachmittagsfahrten mußten Interessierte an den Landungsbrücken enttäuscht der Gischtfahne der Sea Shuttle hinterherschauen.
Noch zwei Wochen wird das gecharterte Schiff flitzen – dann ist erstmal wieder Schluß. Hans Heinrich, Schwergutreeder vom Schiff-fahrtskontor Altes Land (SAL), hat den Katamaran nach Hamburg geholt: „Ich will zeigen, daß es geht.“ Fallen die Sicherheitstests zufriedenstellend aus und klappt auch die Kalkulation, dann könnte es mit der Schnellverbindung Hamburg – Stade schon bald klappen. Heinrich will dann mit zwei Katamaranen nach Art der Sea Shuttle – nur ein bißchen größer und mit Platz für 20 Fahrräder – im Stundentakt Landungsbrücken & Stader Sand verknüpfen. Im Preis liegt das Schiff etwa auf Höhe der Bundesbahn: Die einfache Fahrt ist für 9, die Rückfahrkarte für 15 Mark zu haben. Im Normalbetrieb will Heinrich die Schnellfähre in den HVV eingliedern und die Preise weiter auf DB-Niveau halten – „eher sogar drunter“, auch bei den Monatskarten.
Dabei geht es zwar auch um Touristen, vor allem aber um Berufspendler: 30.000 Menschen pendeln allein täglich aus dem Landkreis Stade. Stader Kreispolitiker sehen für die Elbe ein Potential von 6.000 bis 8.000 Menschen. Schon heute legt der Katamaran deshalb bei der Deutschen Airbus an, dem größten Verkehrserzeuger im Süderelberaum. Und nicht nur der Straßenraum wird entlastet: Mit 280 Litern Dieselöl pro Fahrt kann das Schiff eine Energiebilanz vorlegen, die erst vom 3-Liter-PKW gefährdet würde.
Eigentlich hat der weltläufige Gründeicher Erfolgsreeder Hans Heinrich mit Personenverkehr auf der Elbe überhaupt nichts am Hut. Seine Brötchen verdient er mit Schwerguttransporten auf den Weltmeeren. Mit Schiffen, deren Kräne Einzelstücke bis über 500 Tonnen Gewicht an Bord hieven können, darunter auch Katamarane. So entstand eine Idee: „Warum soll, was in Sidney und Hongkong funktioniert, nicht auch in Hamburg gehen?“ Und, so räumt Heinrich ein, „ein bißchen Lokalpatriotismus ist schon dabei“.
Anders als die stadtstaatliche HADAG, die Heinrich mit einem Anlegeverbot in Luhe aus Konkurrenzneid zu ärgern versucht, ist Heinrich nur wichtig, daß überhaupt etwas passiert: „Mir ist es sehr recht, wenn jemand anders einsteigt. Das kann auch die Hadag sein.“
Anders als das Land Niedersachsen sowie Stadt und Landkreis Stade, die sich bereit erklärt haben, einem neuen Elbreeder Terminals, Anlegeplätze und hochwassergeschützte Parkplätze zu spendieren, tut sich Hamburg schwer. In Gesprächen mit der Hamburger Wirtschaftsbehörde, so der Stader SPD-Kreispolitiker Ohlrogge, hieß es nur immer wieder: „Nein, kein Geld.“ Oder: „Das geht so nicht.“ Zwar hat sich auch der SPD-Senat wohlwollend geäußert, von tatkräftiger Unterstützung ist jedoch nichts zu sehen.
Im Gegenteil: Während Nordniedersachsen sich auf eine Katamaran-Zukunft freut, diskutiert Hamburg fast ausschließlich über den „Schwell“. Tatsächlich verursachen Schnellboote bei hohen Geschwindigkeiten in flachen Gewässern heimtückische Wellen, die Hamburgs Schwimmpontons zum Tanzen bringen können. Während die behäbigen Landungsbrücken das Problem abreiten, tun sich die Flöße in Teufelsbrück schwer. „Statt Hamburgs nautischen und technischen Sachverstand einzusetzen“, so erregt sich Ohlrogge, „heißt es dann nur, das geht nicht.“ Immerhin: Mit Hamburgs neuem Hafenkapitän Jörg Pollmann, Nachfolger des zum Staatsrat aufgestiegenen Heinz Giszas, weht zumindest bei der Hafenaufsicht ein neuer Wind: „Wir haben zwar noch Bauchschmerzen mit dem Schwell, stehen der ganzen Sache aber sehr positiv gegenüber.“ Die Zwischenlösung: Die Sea Shuttle fährt bis Teufelsbrück mit gedrosseltem Tempo, was die Fahrzeit nur um gut drei Minuten verlängert.
Eine aktive Hamburger Verkehrspolitik kann der gutwillige Pollmann freilich nicht ersetzen. Ohlrogge: „Hamburg scheint immer noch Angst zu haben, mit einer Verbesserung der Verkehrsverbindun-gen in den Raum Stade etwas zu verlieren.“ Dennoch ist der Siegeszug wohl kaum noch aufzuhalten. Heinrich: „In spätestens ein, zwei Jahren haben wir den Durchbruch geschafft.“
Pollmann sähe dafür am liebsten ein „für die Elbe maßgeschneidertes Schiff.“ Ulrich Krey, Schiffahrtsexperte des Hamburger Verkehrs-Consulters „SCI Verkehr“ ergänzt: „Wir brauchen endlich wieder Schiffe, die sich ihren Einsatzbedingungen anpassen“.
Voraussetzung wäre wohl, daß deutsche Binnenschiffsreedereien ihren gewaltigen technologischen Rückstand in Sachen zukunftsweisende Fahrgastschiffe aufholen. Noch aber gibt es an der Elbe keine Werft, die eine elbtaugliche Schnellfähre bauen könnte. In Europa sind Schweden und vor allem das von Fjorden durchschnittene Norweger technologisch bereits weit voraus. Allerdings, so resümiert Ulrich Krey: „Der Personenschiffahrt steht eine große Zukunft bevor. Für Hamburg ist sie auch eine echte Alternative zum Elbtunnelausbau.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen