: Neuer Rezeptor adelt das Marihuana
■ Bald ein wirksames Medikament auf Cannabis-Basis gegen Aids und grünen Star?
Schon die Ärzte der Antike wußten, daß sich bestimmte Teile der weiblichen Pflanze von Cannabis sativa vorzüglich als Schmerzmittel eignen. Im Laufe der Jahrhunderte gerieten Haschisch und Marihuana jedoch aufgrund ihrer berauschenden Eigenschaften immer mehr in Verruf und wurden staatlicherseits verfolgt. Die zum Teil wutentbrannten Reaktionen auf das jüngste „Haschisch- Urteil“ eines Lübecker Richters zeigen, daß sich daran bis heute nicht viel geändert hat. Präparate, die den Marihuana-Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol enthalten, werden im bundesdeutschen Betäubungsmittelgesetz nach wie vor als „nicht verschreibungsfähig“ eingestuft und können deshalb als Medikament nicht verwendet werden.
Doch nun haben englische Molekularbiologen im menschlichen Organismus einen Rezeptor entdeckt, der möglicherweise den Weg zum Heilmittel ebnet. Sein Name: CX5. Er hat zwei Vorteile. Zum einen ist er imstande, den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol aufzunehmen und ihn dem menschlichen Blutkreislauf zuzuführen. Außerdem befindet er sich in Hoden und Milz, und diese Organe sind weit entfernt vom Gehirn, wo über Wechselwirkungen mit den dortigen Rezeptoren die sucht- und rauschfördernden Komponenten des Tetrahydrocannabinols freigesetzt werden könnten.
Das Forscherteam aus Cambridge arbeitet nunmehr an der Entwicklung cannabinolähnlicher Substanzen, die in Milz und Hoden andocken, ohne den Umweg über die Haftstellen im Gehirn zu nehmen. Die ersten weiterführenden Forschungsergebnisse der britischen Labore werden Anfang nächsten Jahres erwartet.
Bislang ist die Angst vor dem Suchtrisiko noch zu groß, als daß man sich in der ärztlichen Therapie zum Marihuana-Einsatz durchringen könnte. Dabei ist Marihuana ein Therapeutikum mit mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten. Es dämpft Schmerzen und erzeugt Hunger – wichtig für die Aids-Therapie, erweitert die Bronchien – zur Bekämpfung von Asthma, senkt den Augendruck – gut bei grünem Star und bekämpft Übelkeit, die bei der Einnahme von Medikamenten entsteht. Jörg Zittlau
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