Der alte Mann und die neugewonnene Form

Berlin (taz/dpa) – Kaum hat der Mann mal wieder ein Turnier gewonnen, steht die olle Frage sofort im Raum. Und wird nach dem 4:6, 6:4, 6:3, 7:6 (7:4) gegen Goran Ivanisevic natürlich auch gefragt. Ob er, der Herr Becker, denn nun wieder die Nummer Eins anstrebe: „Nein, ich versuche lediglich, mein bestes Tennis zu spielen“, diplomatete er herum, wohl wissend, daß Pete Sampras demnächst selbst dann nicht einzuholen ist, wenn er sich den Arm bricht. Immerhin hat der Erfolg von Stockholm Becker auf den dritten Platz der Weltrangliste katapultiert, zarte 97 Pünktchen vor dem Menschen, dem ein Großteil der Deutschen eher sein Auto leihen würde. Stich dagegen muß nach seiner Viertelfinalniederlage gar um die Teilnahme am Masters bangen, für das sich neben Sampras, Ivanisevic und Bruguera nun auch Becker sicher qualifiziert hat.

Eine Tatsache immerhin rechtfertigt die neu erwachte Medienhysterie um Becker. Mehr als der vierte Titel in Stockholm dürfte für ihn zählen, daß er an drei aufeinanderfolgenden Tagen die ersten drei der Weltrangliste schlagen konnte, etwas noch nie Dagewesenes, was er allerdings trocken kommentierte: „Nicht schlecht“ sei das gewesen und Tennis ja nur mehr sein Hobby. Ein Steckenpferd allerdings, für das er seit neun Monaten unter Coach Nick Bolletieri so hart wie noch nie trainiert, denn „die Jungen werden schließlich größer und stärker“. Und nach dem Sieg leistete sich der alte Mann gar Selbstzweifel: „Anfang des Jahres habe ich nicht geglaubt, daß ich noch so gut Tennis spielen kann.“ Aber sein 42. Titel hat ihn davon überzeugt, „nun wieder beinahe in der Form meines Lebens“ zu sein.

Daß das finale Stockholmer Spielchen kaum zum ansehen war, ficht dabei keinen an. Im letzten Jahr, als sich Stich und Ivanisevic ebenso gleichförmig vier Sätze lang die Bälle rüpelhaft um die Ohren gehauen hatten, war allerorten nicht von der großartigen Spätform des Siegers Stich, sondern nur mehr von der grassierenden Langeweile und möglichen Regeländerungen die Rede. Kaum kommt Becker zurück und tut dasselbe, ist von der – nicht nur wirtschaftlichen – Krise im Tennis keine Rede mehr. Das Jahr 1993 litt darunter, daß die Reizfiguren nicht gewannen. Nun sind Becker und Agassi zurück und eitel Sonnenschein.to