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UN: Serbischer Gegenangriff ist „reine Erfindung“

■ Bosnische Armee und Kroatenmiliz HVO nehmen Kupres in die Zange / Rußland fordert Eingreifen der UN / Verhandlungen zwischen Krajina und Kroatien

Sarajevo/Berlin (dpa/taz) – Die UN hat gestern Pressemeldungen über „erfolgreiche Gegenangriffe“ der Truppen des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić als „reine Erfindung“ abgetan. Bosnische Offiziere kündigten derweil die Eroberung von Kupres „für die nächsten Tage“ an. Die Anhöhen um die seit zweieinhalb Jahren serbisch besetzte südbosnische Stadt seien bereits unter bosnischer Kontrolle, hieß es aus dem nur 22 Kilometer entfernten Bugojno. Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge sind nahezu alle serbischen Zivilisten in das rund 34 Kilometer entfernte Donji Vakuf geflohen.

Kupres gilt als „Tor zur Herzegowina“ und ist für alle Kriegsparteien von großer strategischer Bedeutung. Bereits seit Mitte der Woche bewegen sich Truppen der bosnischen Armee und der verbündeten Miliz „Kroatischer Verteidigunsrat“ HVO in einer Zangenbewegung auf die Stadt zu. Dabei ist nach UN-Angaben weiterhin unklar, ob es sich bei der ersten gemeinsamen Militäraktion seit dem Ende des muslimisch-kroatischen Krieges im März dieses Jahres um ein koordiniertes Vorgehen der ehemals verfeindeten Parteien handelt. Sprecher der kroatischen Regierung dementierten gestern auf BBC eine Beteiligung regulärer kroatischer Truppen an den Kämpfen in der Nachbarrepublik. Bei Bihać in Westbosnien lieferten sich Truppen der Regierung und der bosnischen Serben derweil heftige Kämpfe um Bosanska Krupa.

Der russsische UN-Botschafter Sergej Larwow forderte gestern den UN-Sicherheitsrat auf, die bosnisch-kroatische Herbstoffensive zu verurteilen. Besonders der Mißbrauch der UN-Sicherheitszonen um Sarajevo und Bihać als Aufmarschgebiet der bosnischen Armee solle untersucht werden. Der Sicherheitsrat müsse rasch reagieren, wenn „eine gefährliche Situation“ für die UN-Schutztruppen verhindert werden sollte. Angesichts der mehr oder minder offenen Tolerierung des bosnischen Vorstoßes durch die USA deutete Lawrow die Gefahr eines Zerfalls der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe an.

Unterdessen trafen im benachbarten Kroatien Vertreter Zagrebs und der serbisch kontrollierten Gebiete Kroatiens unter Vermittlung des Unterhändlerduos von UN und EU, Thorvald Stoltenberg und David Owen, zu Gesprächen zusammen. In Zagreb hieß es, beide Seiten strebten ein Abkommen über ein Wirtschaftspaket an, das aus kroatischer Sicht die Grundlage für die friedliche Reintegration der besetzten Gebiete und die Öffnung der Autobahn Belgrad–Zagreb beinhalten sollte. Die Krajina-Führung fordert die Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung für Siedlungen und Dörfer in unmittelbarer Nähe der Waffenstillstandslinien.

rr

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