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„Gefühle müssen ins Unterbewußtsein“

■ Heitmanns aus Hamburg sind Deutsche Standard-Tanzmeister Neben dem Parkett Claudia Thomsen

Wolfgang Krüppel versteht es vollendet synthetisches Entzücken zu zeigen. Im leicht geöffneten Mund scheint er eine Seifenblase mit der Zunge zu streicheln. Eine Chiffre der Freude. Die Augenbrauen wandern gen Stirnmitte – Vico Torriani läßt grüßen. Tanzpartnerin Corinna Zufelde kriegt vom virtuosen Mienenspiel nichts mit, immer dreht sie ihren Kopf weg. Die Hand des Partners auf ihrem nackten Rücken kann sie nicht berühren. Das Düsseldorfer Paar ist am Sonnabend eines von 36, für das bei den Deutschen Amateur-Meisterschaften im Standardtanz gilt: „Dabeisein ist ein Privileg“ (Programmheft).

Sichtlich bevorzugt fühlen sich auch die 1.550 Gäste, allesamt zur „Familie“ gehörig, versichert der Präsident des Deutschen Tanzsportverbundes, Prof. Herbert Fenn. Die Tanzfamilie in Saal drei des CCH gehört nicht wie erwartet zur hanseatischen Elite. Hält nicht allein das Kleinbürgertum Lackschuhe mit roten Rosen und üppig berankte Spitzenstrumpfhosen für vornehm? Oder aber Antiprominenz wie HSB-Präsident Friedel Gütt, Grundfarben-Make up und Gesangseinlagen der „Cats“- und „Phantom der Oper“-Ensembles für wirklich chic?

Trotz des umrahmenden Gewirks geht es beim Standardtanz auf Sonderklassen-Niveau allein um leistungssportlichen Wettkampf. Tägliches Training und perfektes technisches Vermögen verhindern nicht, daß sich die jeweils sechs tanzenden Paare seltsam oft ins Gehege kommen. „Gefühle müssen eben ins Unterbewußtsein“, enthüllt die charmante Margot Nissen, einst selbst erfolgreiche Eis-, Roll- und Standardtänzerin, das Erfolgsrezept.

Die Niveauunterschiede der Paare, die ihr gesamtes Können in je 90 Sekunden Langsamen Walzer, Tango und Slow-Fox sowie eine Minute Wiener Walzer und Quickstep zu packen haben, sind für Laien kaum auszumachen. „Letztendlich“, so Wertungsrichter in spe, Prof. Ernst Wittmarck, „spielt der persönliche Eindruck oft die entscheidende Rolle.“ Um die sieben Wertungsrichter persönlich zu beeindrucken, werden keine Experimente gemacht.

Postmoderne Diskussionen um die Überholtheit der Geschlechterdifferenz finden woanders statt. Im Standardtanz wird purer Geschlechtsdimorphismus zelebriert. Strahlend helle Frauen in üppig wogenden Hüllen (bis 4.000 Mark) und jockeyzarte Männer in dunklen Fracks. Zwischentöne werden getilgt. Die Haare sind rot, schwarz oder weiß. Wozu auch brünett? Auch das Orchester Wolf Kaiser läßt sich nicht hinreißen: Es bietet Turniermusik im strikten Tanzrhythmus. Strictly Ballroom eben.

Nach Vor- und Zwischenrunde sind noch sechs Paare übrig. Auch Seifenblasenjongleur Wolfgang samt Partnerin mußten sich vor dem Finale verabschieden. Für Trauer blieb aber keine Zeit. Die Titelverteidiger aus Norderstedt, Stefan Ossenkop und Pia David, werden überraschenderweise – im Standardtanz müssen die Zuschauer gerade wegen der geringen Leistungsunterschiede mit Stars, die oft mehrere Titel in Folge erringen, bei der Stange gehalten werden – vom Hamburger Ehepaar Thomas und Christine Heitmann auf Platz zwei verwiesen. Die 26jährige arbeitet halbtags bei der Telekom, ihr drei Jahre älterer Gatte ist Selbständiger. Vielleicht sind das die eigentlichen Koordinaten, die das Paar auf der Tanzfläche verorten. Oder sind es doch Tüll und Tausendmarkskleider?

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