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Sind Ameisen wie Bäume?

Auf der Artenschutzkonferenz sollen Kriterien für die Beschränkung des Handels mit Tieren und Pflanzen beschlossen werden  ■ Von Annette Jensen und Werner Paczian

Nicht nur für Skorpione und Vogelspinnen geht es bei der heute in Florida beginnenden Artenschutzkonferenz ums Überleben. Außer neuen Handelsbeschränkungen für einige Spezies steht dieses Mal auch eine grundsätzliche Neuorientierung des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) an. Die Kriterien für die Aufnahme einer Art in eine der drei Gefährdungslisten sollen überarbeitet werden. Umweltschützer fürchten, das Treffen in Fort Lauderdale könnte für viele Tiere und Pflanzen zum Todesurteil werden. Daß eine Verwissenschaftlichung not tut, darüber sind sich alle 123 Mitgliedsstaaten einig – schließlich stammt der ursprüngliche Vertrag aus dem Jahr 1973. Damals ging es vor allem darum, Nashörner, Elefanten und Wale vor der Ausrottung durch den Handel mit ihren Körperteilen zu schützen. Zwar sind nach und nach 40.000 Pflanzen- und 8.000 Tierarten in einen der drei Anhänge aufgenommen worden, über ihre objektive Gefährdung und ihre Bedeutung für das Ökosystem sagt das aber nichts. Denn eine Art wird dann in die Liste aufgenommen, wenn ein Land einen Antrag stellt und eine Zweidrittelmehrheit dafür findet.

Auf dem Tisch liegt nun ein Vorschlag der World Conservation Union (IUCN). Zentrale Idee des Beratergremiums, in dem Wissenschaftler, Handelsvertreter und einige Nichtregierungsorganisationen aus dem Umweltbereich sitzen: Sobald nur noch 5.000 Exemplare einer Art in freier Wildbahn vorkommen, soll ein absolutes Ex- und Importverbot gelten. Auch die Reduzierung der Spezies um 50 Prozent innerhalb von drei Generationen wäre ein Kriterium für die Liste Nummer eins.

„Ein völlig hirnrissiger Ansatz“, urteilt Peter Püschel von Greenpeace. Ameisen, Mahagonibäume und Minkwale – alle sollten nach demselben Kriterium behandelt werden. Der gegenwärtige Vorschlag abstrahiere völlig von den ökologischen Zusammenhängen und versuche, Wissenschaftlichkeit durch eine beliebig gewählte Zahl vorzutäuschen. Auch die Bundesregierung ist gegen den IUCN-Plan und wird dafür von Püschel als „ausnahmsweise“ fortschrittlich gelobt.

„Viele Tiere und Pflanzen sind wirtschaftlich völlig uninteressant. Deshalb kann sich Deutschland bei der Artenschutzkonferenz auch progressiv geben“, meint Rainer Blanke, Leiter der Wissenschaftlichen Behörde für das Washingtoner Artenschutzabkommen in Bonn. Die britische Umweltschutzorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) schätzt, daß das weltweite Handelsvolumen mit gefährdeten Pflanzen und Tieren etwa 20 Milliarden Dollar beträgt – Peanuts im Vergleich zu anderen Branchen.

Immerhin bringt Deutschland auch den Antrag ein, vier Tropenholzarten auf Anhang zwei zu setzen. Das würde bedeuten, daß nur noch Baumstämme und Bretter mit einer im Ursprungsland ausgestellten Bescheinigung gehandelt werden dürften. „Zum ersten Mal wäre dann klar, wie viele dieser Hölzer hier überhaupt eingeführt werden“, resümiert Püschel, der sich bessere Möglichkeiten für öffentlichen Druck erhofft.

Vor allem für die zwei wirtschaftlich relevanten Mahagonisorten aber ist keine Mehrheit für ihren Schutz zu erwarten. Daran sei, so munkelt man im Bonner Umweltministerium, die Bundesregierung schuld. Denn nach einer wahlkampfwirksamen Ankündigung hat es niemand für nötig befunden, die afrikanischen Ursprungsländer von der Schutzwürdigkeit der Bäume zu überzeugen. Die wollen die Anträge als Einmischung in ihre innere Angelegenheiten ablehnen und haben schon mehrere Länder auf ihre Seite gezogen. Durchgehen wird dafür vermutlich die Auflistung des vietnamesischen Mun. Die aber kennt selbst im deutschen Holzhandel fast niemand.

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