piwik no script img

Rechtswidrige Abschiebungen

Die Synode der Evangelischen Kirchen kritisiert die Asylpraxis in Deutschland und fordert die Aufhebung der „Drittstaatenregelung“  ■ Aus Halle Eberhard Löblich

Die Synode der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) hat in Halle die bundesdeutsche Asylpraxis seit der Neuordnung des Asylrechts scharf kritisiert und die Rücknahme einiger Regelungen gefordert. Die beschleunigte Bearbeitung der Asylverfahren berge die Gefahr in sich, daß auch Asylbewerber in ihre Heimat abgeschoben werden, die dort tatsächlich politisch verfolgt werden. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung sei kaum noch möglich, auch rechtliche Schritte werden vielen Asylbewerbern erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, heißt es in einem Bericht des Rates der EKD an die Synode.

Insbesondere die von Politikern von CDU bis SPD gepriesene Drittstaatenregelung stieß bei den Synodalen auf Kritik. Denn viele angeblich so sichere Drittstaaten sind nach Ansicht der EKD so sicher gar nicht. Die Drittstaatenregelung sieht vor, daß Asylbewerber, die über nach deutschem Rechtsverständnis sichere Drittländer einreisen, wieder dorthin „zurückgeführt“ werden. Nach Recherchen des EKD-Rates wird aber insbesondere in Österreich und in Polen den zurückgeführten Asylbewerbern ein entsprechendes Asylverfahren unmöglich gemacht. Viele Bestimmungen des österreichischen Asylgesetzes seien mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar. Damit verstoße eine Rückführung von Asylbewerbern, die über Österreich nach Deutschland eingereist sind, sogar gegen das Grundgesetz. Denn auch das geänderte Grundgesetz lasse eine Rückführung in „sichere Drittstaaten“ nur dann zu, wenn in diesen Staaten die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention der Menschenrechte sichergestellt sei.

Das scheint aber weder in Österreich noch in Polen der Fall zu sein. Im Gegenteil, beide Staaten haben ebenfalls Rückführungsabkommen mit Ungarn und Ungarn wiederum mit der Ukraine geschlossen. Der Rat der EKD befürchtet deshalb Kettenabschiebungen, bei denen die Flüchtlinge am Ende wieder in ihre Verfolgerstaaten abgeschoben werden.

Mit einer von den Landeskirchen und zahlreichen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen erarbeiteten Dokumentation untermauert der Rat der EKD seine Vorwürfe. Auch die deutsche Abschiebepraxis stößt bei den Synodalen auf massiven Widerspruch. In zahlreichen Fällen mußten nach der EKD-Dokumentation Asylbewerber schon bei ihrer Ankunft ihr gesamtes Bargeld und ihre Wertgegenstände abgeben. Damit, sei ihnen erklärt worden, sollten die Kosten einer möglichen späteren Abschiebung ganz oder teilweise finanziert werden. Spätestens in der Abschiebehaft werde den meisten Flüchtlingen dann ihr Geld zur Finanzierung der Abschiebung abgenommen. Ihnen bleibt damit keine Möglichkeit, in der Abschiebehaft einzukaufen, zu telefonieren oder Post zu versenden.

Der EKD seien sogar Fälle bekannt, wo Asylbewerbern in der Abschiebehaft Geld abgenommen wurde, das ihnen ehrenamtliche Betreuer zugesteckt hatten.

Immer wieder komme es auch zu rechts- und völkerrechtswidrigen Abschiebungen, heißt es in dem EKD-Bericht. Konkret wird der Fall des Kurden Riza Askin genannt, der nach seiner Abschiebung in die Türkei verhaftet und gefoltert wurde. Selbst das Auswärtige Amt habe diesen Fall inzwischen bestätigt.

Der Rat der EKD fordert in seinem Bericht deshalb die umgehende Abschaffung der Drittstaatenregelung und der sogenannten Blitzverfahren an den Flughäfen, die von den Synodalen als besonders menschenfeindlich betrachtet wird. Außerdem müsse die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ kritisch überprüft werden. Schon beim geringsten Zweifel müsse gegen die Aufnahme oder den Verbleib eines Landes auf dieser Liste entschieden werden. Die Verkürzung des Verfahrensweges erhöhe ohnehin das Riskiko, daß tatsächlich vorliegende politische Verfolgung im Asylverfahren nicht erkannt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen