: Der Bürgermeister und der Prototyp
200 Kastratenstimmchen intonieren das „Halleluja“, ein goldener Heißluftballon mit blauen Sternen wirft 200 weiße Rosen über dem Werksgelände ab – da öffnet sich eine überdimensionale rosa Muschel, darinnen der hinreißende SLK, das neue Kompakt-Cabrio von Mercedes Benz. Am Steuer: mindestens Claudia. Die Massen in Tränen.
Gestern mittag wurde der Presse das neue Mercedes-Topless in Sebaldsbrück SO NICHT vorgestellt. Im Gegenteil. Müde Worte des Eigenlobs durch die Herren Werksleiter 1 und 2, ein kleines blaues Auto unter grauem Himmel, und als Topstar Wedemeier. Doch ja.
Nämlicher quälte sich in den Zweisitzer und behauptete, daß das Geschoß prima zum ÖPNV-Credo passe und vernünftig sei, wenn's der Markt so wolle: „VERNÜNFTIG!“ Und sinngemäß: sein Vorgänger hätte doch auch einen Mercedes geschenkt bekommen, so now what?
Die degoutanteste Frage auf der Pressekonferenz war die nach dem Verbrauch des Autos. Sie wurde denn auch nicht beantwortet. Auf die Frage, wohin mit dem Koffer, wenn das Metalldach sich auf Tastendruck in den Kofferraum zurückgezogen hat, war Werkleiter 2 Stark allerdings vorbereitet: „Anreise mit geschlossenem Dach. Am Urlaubsort oben offen.“ Wedemeier: „Raffiniert!“
150 kleine Flitzer ohne den allerklitzekleinesten Notsitz sollen ab 1996 in Sebaldsbrück vom Band laufen. Der SLK ersetzt die bisher hier gebauten T-Kombis, deren Produktion nach Sindelfingen verlegt wurde. Designmäßig möchte man fast von italienischem Schwung reden, bis der Blick aufs Kühlergrill fällt: Häkeldeckchendesign. Hallo Biedermeier, wie schaut's aus?
Der Senat, dröhnte Wedemeier mit einer Spur Verlegenheit, sei am Zuschlag für den Standort Bremen beteiligt gewesen, denn: „Auch diese Koalition steht zum Versprechen des Hemelinger Tunnels!“ Da freuten sich die Herren und schenkten Wedemeier den Prototyp. Oder so ähnlich. BuS F: de Baca
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