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Nicht als menschliche Wesen behandelt

■ Abschiebehäftlinge in Glasmoor: Nicht kriminell, aber dennoch 23 Stunden täglich in der Zelle, kaum Besuch, kein Geld, keine Informationen Von Sannah Koch

Sie verstehen unsere Sprache nicht, durchschauen weder das deutsche Rechtssystem noch die deutsche Bürokratie. Sie können nicht begreifen, warum ihre Asylbegehren abgelehnt wurden und schon gar nicht, warum sie deswegen ins Gefängnis gesteckt werden. Und sie wissen nicht, wie lange sie dort festgehalten werden können. Manche sitzen monatelang, ohne eine Ahnung, wie lange dieser Zustand andauern kann – eingepfercht in Sechs-Mann-Zellen, 23 Stunden am Tag, einmal täglich ist auf dem haushoch eingezäunten Betonquadrat Hofgang. Abschiebegefängnis Glasmoor – am vergangenen Sonntag revoltierten Flüchtlinge gegen die unerträglichen Haftbedingungen.

Gestern berichteten GAL-Abgeordnete nach einem Besuch über die Zustände in der Containerhaftanstalt in Norderstedt. „Wir werden nicht als menschliche Wesen betrachtet. Welche Rechte haben wir?“ – diese Fragen, so GALierin Anna Bruns, beschäftigten die Insassen, mit denen sie am Dienstag gesprochen hätten. Erst im Februar war der Abschiebeknast in Betrieb genommen worden. Mehr als vier Millionen Mark wurden in die Container auf dem Gelände der Vollzugsanstalt investiert; ein auf fünf Jahre befristeter Versuch, die überbelegten Hamburger Haftanstalten von den Abschiebehäftlingen zu befreien.

Damals habe die Innenbehörde dem Anstaltsleiter von Glasmoor mitgeteilte, so Bruns, daß die abgelehnten Asylsuchenden dort maximal 14 Tage bis zu ihrer Ausweisung sitzen sollten. Die Realität sehe jedoch anders aus: Zwei Drittel der rund 80 Flüchtlinge sitzen inzwischen länger in ihren Zellen, manche monatelang.

Ein Algerier wartet bereits seit acht Monaten auf die Abschiebung, doch die algerische Botschaft weigert sich, die notwendigen Papiere auszustellen. „Dies ist ein tatsächliches Abschiebehindernis“, so Bruns, dieser Mann müsse eigentlich aus der Haft entlassen werden. Dies betreffe auch acht weiteren Algerier, wie auch die inhaftierten Schwarzafrikaner, die derzeit aus ähnlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Selbst Anstaltsleiter Harold Buck hätte dies im Gespräch mit ihnen „unverhältnismäßig“ gefunden.

Schlimm sind auch die Haftbedingungen der Männer, bei denen die Justizbehörde immer beteuert, es handele sich hier ja nicht um Straftäter. Aufgrund von Personalmangel dürfen sie nur eine Stunde täglich die enge Zelle verlassen, Besuchszeit ist nur alle 14 Tage eine Stunde. Geld, soweit vorhanden, werde ihnen abgenommen, davon müssen sie Telefon und Zigaretten bezahlen. Sozialhilfe gewährt Hamburg den Abschiebehäftlingen nicht, wer kein eigenes Geld hat, kann demzufolge weder Rauchen, noch Briefe schreiben.

Auch mehren sich die Klagen über Gewalttätigkeiten des Wachpersonals. Im Fall von drei Afrikanern, die von Übergriffen berichtet hatten, ermittelt laut Anstaltsleitung die Staatsanwaltschaft. Ob gegen die Wachleute oder die Insassen, ist derzeit unklar.

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