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Der Transvestit

■ Ein vergnüglicher Rückblick auf dreißig Jahre Verlag Klaus Wagenbach

Klaus Wagenbach ist einer der bekanntesten Verleger Deutschlands. Im Vergleich zur Winzigkeit seines Verlages ist sein Ruhm gigantisch. Es gibt dafür schöne und gute und sicher auch häßliche und böse Gründe. In dem von ihm selbst herausgebrachten Buch „Wieso Bücher?“ findet man nur die ersteren. Das und die Qualität der Autoren machen den kleinen Band zu einem der heitersten dieses Herbstes. Texte von Manganelli, Ludwig Harig, Luigi Malerba oder des großen Günther Busch „Vier Fußnoten zur Zukunft der Bücher“ variieren neben dem amüsanten „Kurzen Grenzgang für die Freunde des Buches“ von Transit-Chef Rainer Nitsche die Grundmelodie, die der Meister selbst vorsingt. Ein vergnüglicher Rückblick auf dreißig Jahre Wagenbach-Verlag. Es treten auf: Erich Fried, Pier Paolo Pasolini, Johannes Bobrowski, Günter Grass, Wolf Biermann, Stephan Hermlin, Ulrike Meinhof, Rudi Dutschke, die Geister von 68 und jede Menge Polizei. Wagenbach trägt die Geschichte seines Verlages vor wie ein Bänkelsänger, der mit dem Zeigestock neben den Tableaus steht und einem staunenden Publikum eine Moritat nach der anderen erzählt. Zwischen den Zeilen blinzelt er einem zu: Nicht alles muß sich exakt so abgespielt haben. Der Wagenbach-Leser weiß, daß das Leben zwar die verrücktesten Geschichten spinnt, daß es aber eines guten Autors bedarf, um sie zwischen zwei Buchdeckel zu pressen.

Ironie gehört dazu. „1987 veröffentlichten wir Doris Lessings ,Das Leben meiner Mutter‘ als Taschenbuch, mit dem listigen (es waren damals, nicht nur im Film, afrikanische Jahre) Untertitel ,Mit Bildern aus Afrika‘; die List war erfolgreich. Nach etwa fünf bis sieben Jahren ließ der Erfolg nach. Wir haben dann mitten in einer Auflage das Taschenbuch vom Markt genommen und den gleichen Text als (teurere) Salto-Ausgabe neu veröffentlicht, diesmal nicht mit Bildern aus Afrika, sondern mit einem Bild von Mutter und Tochter – und so, in rotem Leinen, als Mutter-Tochter-Bericht, war das Buch sofort wieder erfolgreich.“ Der Verleger als Transvestit. Arno Widmann

„Wieso Bücher?“. Hrsg. von Klaus Wagenbach, 142 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 9,50 DM.

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