Point 'n' Click
: Mein ewiges Oktoberfest

■ „Theme Park“ – das Videospiel für den Kirmesbesitzer in dir

Zweite Folge unserer Computerspiel-Testkolumne

Zweimal im Jahr war Kirmes. Es war nur ne winzigkleine mit Teufelsscheibe, Schiffsschaukel, Kettenkarussell und, wenn es hochkam, einem mickrigen Riesenrad. Trotzdem wollte ich unbedingt Kirmesbesitzer werden.

Und jetzt, mehrere Leben später: Last Exit Phantasialand bzw., wer hätte das gedacht: Auch so ein Leben als leitender Angestellter im „kollektiven Vergnügungspark“ ist kein Türkisch-Honig- Schlecken. „Theme Park“, das neueste Computer-Strategiespiel von Bullfrog, macht einen zwar zum Manager eines High-Tech- Rummelplatzes, aber hinter der kunterbunten Fassade steckt eine knallharte Wirtschaftssimulation. Hereinspaziert meine Damen und Herren es geht wieder los wir starten eine neue Runde auf unserer Helter-Skelter-Todesschraube ja das macht Spaß das ist einfach sssupper...

Alle Attraktionen, die man in sein digitales 3-D-Eurodisney einfügt, sind animiert; die Karussells drehen sich, im Spukhaus spukt es, in der Clown-Klamauk- Show werfen sich die Clowns gegenseitig Sahnetorten ins Gesicht, auf der Magnetschwebebahn ziehen die Gondeln ihre Runden, auf der Achterbahn rasen die Wagen in die Tiefe, typische Rattergeräusche und Lustjauchzer nebst tollen Kirmesmusiken inklusive (jede Attraktion hat ihre eigene). Ununterbrochen scrolle ich über mein ewiges Oktoberfest, erfreue mich an dem bunten Treiben, bohrende Zweifel im Hinterkopf: Genügend Schleckschleck-Eis nachgeordert? Wieso ist schon wieder der Raketenritt kaputt?

Kleine vergnügungssüchtige Männlein, erst eine Handvoll, später mehrere hundert, bevölkern meinen Park, kaufen sich einen Luftballon, stellen sich brav in der Schlange vorm Autoscooter an, knabbern an ihren Pommes, gönnen sich noch ne Happy- Cola und müssen dann mal. Leider hab ich vergessen, Toilettenhäuschen aufzustellen...

Am Anfang besitzt man, ausgestattet mit geringem Startkapital, ein riesiges brachliegendes Grundstück, das mit einer Handvoll eher bescheidener Fahrgeschäfte (neudeutsch: Rides), ein paar Verkaufs- und Glücksbuden mehr schlecht als recht bestückt wird. Anschließend verbindet man seine „Attraktionen“ mit Wegen, stellt Reinigungspersonal, Parkwächter, Wartungsmechaniker und eventuell noch ein, zwei Entertainer (Leute in lächerlichen Kostümen) ein und eröffnet fix. Das Restkapital investiert man in die Forschungsabteilung, die ein paar Echtzeitjahre später prompt bessere Attraktionen und lukrativere Verkaufsshops „erfunden“ hat. Außerdem kann man auf diese Weise z.B. sein Personal schulen oder den zu Anfang schmalbrüstigen Zubringer-Bus aufrüsten lassen.

Mit dem Entwickeln neuer Sensationen und stetigem Parkausbau allein ist es nicht getan. Die Mischung von Rides und Shops will gut aufeinander abgestimmt sein. Timing erfordert auch das Ziehen der Warteschlangen-Geländer. Sind diese zu lang, werden die darin zwischengelagerten Besucher langsam sauer, es sei denn, man schickt ein paar Entertainer (z.B. den Hühner-Mann) zwecks Aufheiterung vorbei.

Oberstes Gebot bei „Theme Park“: Man muß die Kundschaft bei Laune halten. Nur zufriedene Besucher lassen sich – über die entrichteten, sukzessive steigenden Eintrittsgelder hinaus – durch den Verkauf überteuerter Souvenirs, Ramsch und Snacks weiter melken. An allen Einstellungen darf tollerweise gedreht werden: So kann man z.B. nicht nur den Preis einer Portion Pommes, sondern sogar deren Salzgehalt bestimmen, was wiederum – Salziges macht bekanntlich durstig – den Umsatz am Happy-Cola-Stand nebenan in die Höhe schnellen läßt.

Ähnliche Einflußmöglichkeiten hat man auf die Rides: Eine auf maximale Geschwindigkeit frisierte Achterbahn steigert den Nervenkitzel und ergo den Unterhaltungswert, wodurch allerdings zugleich die Gefahr vergrößert wird, daß den Männlein schlecht wird und sie die Wege hinter dem Ausgang vollkotzen, worüber sich wiederum andere Besucher lautstark mokieren. Jeder Eingriff zeitigt sofort positive wie negative Folgen, die nicht immer exakt abzuschätzen sind.

Man sieht: „Theme Park“ ist ein ziemlich komplexes Spiel. Die Stimmung jedes einzelnen Parkbesuchers – geniale Idee der Programmierer – läßt sich aber an über den Köpfen schwebenden Denkblasen-Piktogrammen jederzeit ablesen. Ob „glücklich wie noch nie“ oder „ganz schön gelangweilt“, ob hungrig, durstig oder genervt über zuviel herumliegenden Müll, popelige Gewinne in den Glücksspielbuden, megazähe Mega-Burger – die durch den Park wuselnden kleinen Computerleute besitzen regelrecht ihr eigenes rudimentäres Gefühlsleben. Der Spieler sieht also stets, was Sache ist und kann im Bedarfsfall ad-hoc reagieren. Letztendlich entscheidet über Wohl und Wehe eines Parks Lust oder Frust jedes einzelnen Männleins. Nicht viel anders mag man sich als Chef von Disneyland auch fühlen. Ulrich Hölzer

„Theme Park“, Bullfrog.