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Voscheraus Atomstrom-Duo

■ Voscherau besetzt HEW-Spitze mit loyalen Gefolgsleuten. Drohen Zerschlagung und Verkauf der HEW? Von Florian Marten

Ein großer Personalcoup von Bürgermeister Henning Voscherau bei den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) steht kurz vor dem Abschluß: Für den kürzlich vom Stromgiganten RWE abgeworbenen Ex-HEW-Chef Roland Farnung wird der bislang für Technik zuständige HEW-Vorständler Manfred Timm zum Sprecher aufsteigen. Der Jurist und langjährige Voscherau-Gefolgsmann Joachim Lubitz, bislang Geschäftsführer der Hamburger Wasserwerke (HWW), rückt in den HEW-Vorstand auf und übernimmt dort die Bereiche Finanzen und Controlling.

Das streng geheime Personalpaket hat es gleich mehrfach in sich. Mit dem brillanten Ingenieur Manfred Timm übernimmt ein knallharter Kernkraftbefürworter die Führungsrolle im einzigen deutschen Stromerzeuger, der den Atomausstieg in seiner Satzung verewigt hat. Mit dem blassen, in Finanzdingen aber durchaus fähigen Leichtgewicht Lubitz verfügt erstmals ein Stadtchef über einen treuen Gefolgsmann im HEW-Vorstand.

Ziel der Aktion: Atomfreak Timm soll der Energiewirtschaft Entwarnung signalisieren; Lubitz soll seinen Förderer Voscherau informieren – schließlich stürzte einst Klose über die HEW-Führung. Vor allem aber soll er die HEW auf einen Verkauf der Mehrheit ihrer Anteile vorbereiten. Schon lange nervt Voscherau, daß Hamburg mit den HEW über einen Stromerzeuger verfügt, der zu unliebsamen politischen Debatten in Wirtschaft, Stadt und SPD führt. Bereits Mitte der 80er Jahre entwickelte der damalige SPD-Fraktionschef deshalb die Idee, den Stromerzeuger HEW zu schlichten Stadtwerken, sprich reinen Stromverteilern zu degradieren.

Eine eigenständige Energiepolitik könnte das Bundesland Hamburg dann nicht mehr führen. Die finanzielle Notlage Hamburgs (siehe Artikel unten) kann und soll den Vorwand liefern, jetzt wenigstens die Mehrheitsanteile an den HEW zu verscherbeln. Die PreussenElektra und schwedische Stromkonzerne stehen bereits Scheck bei Fuß.

Voscherau drängt persönlich auf Eile. Noch Anfang Dezember sollen der HEW-Ausichtsrat und die für öffentliche Spitzenjobs zuständige Senatskommission das von Voscherau eigenhändig geschnürte Personaltableau durchwinken. Kein Wunder: Joachim Lubitz würde eine breite öffentliche Diskussion über seine Qualitäten wohl kaum überstehen. Zwar kann der HWW-Geschäftsführer eine erfolgreiche Verschlankung und Rationalisierung der einst verkrusteten HWW vorweisen – vom „Bäderdirektor zum HEW-Vize“, so ein Spötter, ist freilich ein besonders weiter Weg. Sowohl in der Umweltbehörde, deren Chef Fritz Vahrenholt als HEW-Aufsichtsratsboß die Personalsuche zu verantworten hat, als auch in den HEW gibt es heftige Kritik an Lubitz: Der Mann sei nicht qualifiziert genug.

Den Ausschlag für Lubitz gab auch wohl kaum, daß der beschlagene Jurist, derzeitiges Jahreseinkommen weit unter 250.000 Mark, sich für den Top-Job bei den HEW mit überaus bescheidenen kaum mehr als 300.000 Mark Jahressalär zufrieden geben will. Eher qualifiziert haben dürfte sich Lubitz, dessen Karriere in den HWW erst in der Ära Voscherau steil nach oben zeigte, durch enge persönliche und berufliche Kontakte zum Notariat Voscherau. Lubitz, der sich bei den HWW von unten nach oben durchdiente, hatte bei den HWW, nach der Bundesbahn größter Grundstücksbesitzer in Hamburg, lange Zeit Notariats- und Grundstücksgeschäfte zu managen. Noch heute rühmt er sich in kleinem Kreise gerne, daß er bei solchen Gelegenheiten das Notariat Voscheraus häufig persönlich aufsuchte.

Eigentlich hatte Fritz Vahrenholt die Farnung-Nachfolge zunächst ganz anders regeln wollen. Ein energiepolitisch engagierter Renommiermanager wurde gesucht, der durchaus auch den Vorstandssprecherposten hätte besetzen sollen. Doch „urplötzlich“, so ein passiver Teilnehmer der Personalsucher, „fiel die Klappe“. Schnell hieß es: „Der Markt gibt nichts her.“ Erfolglos, so behauptete Vahrenholt, seien seine Headhunter durch die Lande gestreift. Der gute Vahrenholt, auf Voscheraus Wohlwollen dringend angewiesen, wußte jedoch, im Ohr die Stimme seines Herrn, Rat und zauberte Lubitz aus dem Hut. Zwar maulte der Personalausschuß der HEW zunächst, verzichtete mangels Alternative aber auf ernsthaften Widerstand. Vahrenholt hatte Topmanager, die durchaus Interesse signalisierten, wegen angeblich überzogener Gehaltsvorstellungen erst garnicht zur Diskussion gestellt.

Dabei hätte es günstige und dennoch gute Leute sogar in Hamburg gegeben. Ulrich Hartmann beispielsweise, Chef der Gaswerke und rühmliche Qualitätsausnahme im Sozi-Manager-Dschungel, hätte als kantiges Hausgewächs für weitaus mehr Sachverstand, Durchsetzungsvermögen und Kreativität gestanden. Hartmann, in Sachen Voscherau überaus vorsichtig, hatte sich zwar nicht beworben, lange aber auf einen Anruf gewartet. Doch, so ein Insider: „Hartmann hat Rückrat. Der hätte nicht alles mit sich machen lassen.“

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