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Polyglottes Gegeneinanderansingen

■ „Der beste Schwindel weit und breit“: Preddy Show Company im Café Theater Schalotte mit Liza Minelli, Hildegard Knef und durchaus auch Mireille Mathieu

„15 Jahre – noch 50 Jahre bis zur bis zur Pensionierung!“ schrieb ein Fan der Preddy Show Campany noch vor wenigen Monaten ins Stammbuch. Welch ein Irrtum. Die Preddys gehen schon mit der Silvestergala 1994 in den Ruhestand. „Der beste Schwindel weit und breit“, das Jubiläumsprogramm mit Highlights aus 15 Jahren, ist umbenannt in „Der letzte Schwindel weit und breit“. Noch eine gute Woche läuft der Schwindel im Café Theater Schalotte. Liza Minelli, Mireille Mathieu und Hildegard Knef singen so hartnäckig wie polyglott gegeneinander an. Michael Jackson und Tina Turner toben herum. Höhepunkt ist jedoch der Auftritt eines leidenschaftlichen Trachtenmädels zu einem Lied der Schauspielerin Eva Astor. Der für die siebziger Jahre äußerst freizügige Text über den wilden Rasputin ist nicht nur ein Indiz, daß die Sexwelle doch irgendwie in die DDR geschwappt sein muß, sondern auch dichterisch ein Juwel: „Du bist wie ein wilder Stier, komm und gib es mir!“ Die Preddys – ein buntgemischtes Ensemble aus einem Ex- Friseur, zwei Ex-Studienrätinnen, einem Ex-Koch, einem Ex-Dekorateur sowie zwei Technikern – sind die Erfinder des „Playback- Musiktheaters“. Ihre Shows leben von dem komischen Kontrast zwischen Konserve und Live-Auftritt. Mal übertreiben sie die Manierismen der Stars, mal machen sie den Kitsch vom Band durch groben Unfug auf der Bühne zunichte. Am liebsten verfremden sie durch Travestie. Gerhard Winterle, Peter Galow und André Fischer zeigen ihre haarigen Dekolletés, Karola Claus und Susanne Stallmann übernehmen Hosenrollen wie zum Beispiel den unglückseligen Rosenverkäufer, der als running gag immer wieder zu öligen Schlagern wie „Gute Reise, schöne Rose“ auftritt. Meist kommt er nicht weit, sondern wird umgehend durch Schüsse oder Schläge exekutiert. Zwischen den einzelnen Nummern liegen oft nur Sekunden. Rasend schnell wechseln die fünf von der „Preddy Show Campany“ ihre ausgefeilten Kostüme und legen neue Schminke auf. Lippensynchrones Sprechen, Choreographie und Tontechnik sind absolut perfekt. Manchmal verlassen sie sich allzusehr auf diese Perfektion: Die vollkommene Imitation ist langweilig. Erst wenn das Absurde dazukommt, ist die Show wirklich perfekt. Warum wollen die bloß aufhören, wunderte sich das Publikum nach der zweiten Zugabe. Gerhard Winterle, Gründungsmitglied der „Preddy Show Campany“, breitete lächelnd die Arme aus: „Guckt euch doch mal um.“ Der Zuschauerraum war halbleer geblieben. „Jetzt weinen die Leute uns noch nach und schicken Briefe und Trauerkarten“, sagt Winterle. „Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Aufhören.“ Die drei erfolgreichsten Shows werden im Dezember noch einmal im Tränenpalast gezeigt. Eigentlich wollten die Preddys im nächsten Jahr erstmals ein „richtiges“ Musical inszenieren. Bislang hatten sie nur in ihrem „Macbeth“-Programm live gesungen – und ab und an ein paar eigene Lieder als Playback eingespielt. Das Projekt scheiterte am Geldmangel. „Daß wir keine Förderung vom Senat gekriegt haben, war der Nagel zum Sarg“, meint Karola Claus, die seit fünf Jahren bei der Truppe ist. Außerdem haben sie und die anderen genug von dem anstrengenden Tourneeleben. Indem sie aufhören, ziehen sie die Konsequenz aus der Tatsache, daß der Durchbruch ins große, wirklich lukrative Showgeschäft einfach nicht gelungen ist. „Wir werden ja auch einfach älter“, sagt Karola Claus. „Jetzt können wir uns noch anders orientieren, später kommen wir nirgendwo mehr rein.“

Im Laufe der Jahre hat sich die Truppe mehrmals fast komplett ausgetauscht. 21 Tänzer und Schauspieler und 14 Techniker, die mitgemacht haben und wieder abgesprungen sind, listet die Jubiläumsschrift auf. „Die meisten haben geheiratet, Kinder gekriegt und sehr viel Geld verdient“, erzählt Gerhard Winterle. „Beim Theater ist keiner geblieben.“ Auch ihn wird man wahrscheinlich nicht mehr auf der Bühne sehen: Zusammen mit Susanne Stallmann will er eine Agentur für Kulturmanagement aufziehen.

Im neuen Jahr wird erst mal reiner Tisch gemacht. Was nicht niet- und nagelfest ist, soll verkauft werden. Glitzerfummel, falsche Pelze, Federboas, Hüte, Perücken aller Längen und Farben sowie Vorhänge und Requisiten. Gerhard Winterle macht eine umfassende Gebärde: alles halt, was in der chaotischen Garderobe der Preddys so herumliegt und noch vieles mehr. Mit ein paar Ausnahmen natürlich: „Meine Schätze behalte ich!“ Miriam Hoffmeyer

„Der letzte Schwindel weit und breit“ bis 3.12. dienstags bis samstags, 20.30 Uhr, Café Theater Schalotte, Behaimstraße 22, Charlottenburg. „Bube Dame König“ am 9.12., „Preddykat: märchenhaft“ am 10.12., „Auf Teufel komm raus“ am 11.12. jeweils 19 Uhr (Einlaß) im Tränenpalast, Reichstagsufer 17, Mitte.

Silvestergala am 31.12. im Bahnhof Fischbach, Friedrichshafen/Bodensee. Vorbestellungen unter 07541-300 10.

Fundus-Flohmarkt: 7.–8.1., jeweils 11–17 Uhr in der „Talentbude“, Kremmener Straße 9–10, Prenzlauer Berg.

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