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Brotlose Naturwissenschaften

Kaum ein Studium verspricht noch sichere Jobs / Experten raten Studienanfängern: Nicht am Arbeitsmarkt, sondern an den Interessen orientieren  ■ Von Ralph Bollmann

Wer vor fünf Jahren begann, eine Naturwissenschaft zu studieren, machte sich um spätere Berufschancen keine Sorgen. Der gutdotierte Job in der Forschungsabteilung eines Großunternehmens schien bereits sicher. Jetzt steht diese Generation von Studierenden im Examen – und findet einen Arbeitsmarkt vor, den Wolfgang Henniger von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Frankfurt am Main als „sehr kompakt und dicht“ beschreibt. Der Fachbereichsleiter für den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich fügt sogleich hinzu, was das in Zahlen bedeutet: Mitte 1994 standen 22.400 Bewerbern bundesweit gerade 310 offene Stellen auf den Listen der Arbeitsämter gegenüber. „Mittelfristig bleibt das so“, lautet Hennigers Prognose. Auch in anderen Studiengängen, in die der karriereorientierte Nachwuchs einst strömte, ist jede Euphorie verflogen. Bei den Ingenieuren stieg die Zahl der Bewerber von 1989 bis 1993 von 24.000 auf 44.000, die der offenen Stellen sank von 10.600 auf 3.400. Die „Juristenschwemme“, von den neuen Ländern vorübergehend aufgesogen, setzt den Arbeitsmarkt wieder unter Wasser.

Auf die Frage nach heißen Tips für Studienanfänger werden die Experten aber einsilbig. Sigmar Gleiser, bei der ZAV für kaufmännische und Verwaltungsberufe zuständig, hält schon die Fragestellung für eine „Schnapsidee“. Architekten und Bauingenieure, führt er an, würden derzeit „vom Markt relativ gut aufgenommen“. Auch Kunsterzieher und Musikpädagogen seien gesucht. Überhaupt könne es für Lehrer „in einigen Jahren einen attraktiven Arbeitsmarkt“ geben, weil in den nächsten Jahren viele alte Lehrer in Pension gehen. Voraussetzung ist hier allerdings, daß der Staat auch Neueinstellungen vornimmt. Wirtschaftswissenschaftler seien, weil in allen Branchen einsatzfähig, von der Rezession weniger stark betroffen. Auch die Datenverarbeitung (DV) steht wieder auf der Liste der Empfehlungen. Dort gab es vor drei Jahren einen spektakulären Einbruch: Von 1991 auf 1992 gab es 46 Prozent mehr Bewerber, aber 44 Prozent weniger offene Stellen. „In jüngster Zeit können wir für einige Berufe Entwarnung geben, der Markt für Informatiker läuft wieder relativ gut“, kann Gleiser beruhigen.

Die Studienanfänger reagieren auf solche Entwicklungen schnell. So konnte die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) dieses Semester im Maschinenbau nur die Hälfte der vorhandenen Studienplätze besetzen. Einen Ansturm meldet Pressesprecherin Christel Dallmann dagegen in zukunftsträchtigen Fächern: „Alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, ist ein Renner.“ Auch Kommunikationsdesign, Museumskunde, Restaurierungs- und Grabungstechnik sind beliebt. In diesen Studiengängen wird aber schon bei der Zulassung gesiebt.

Gerade wegen der Erfahrung, die Naturwissenschaftler und Ingenieure nun machen müssen, raten die Experten aber davon ab, bei der Entscheidung für ein Studium nur auf den Arbeitsmarkt zu achten. Statt dessen rät Sigmar Gleiser, die Entscheidung vor allem von den Interessen und Neigungen abhängig zu machen: „Wenn einer mit Freude und Lust sein Studium macht und Praxis einbaut, dann hat er die besten Chancen.“

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