: Jeder zehnte will Deutscher werden
■ 41.000 Ausländer in Berlin stellen in diesem Jahr einen Einbürgerungsantrag - neuer Rekord / Aber nur jeder fünfte Antragsteller erhält positiven Bescheid / Heckelmann gegen doppelte Staatsbürgerschaft
Jeder zehnte in Berlin lebende Ausländer hat in diesem Jahr einen Einbürgerungsantrag gestellt oder wird noch einen stellen. Das ist einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Inneres zu entnehmen. Diese rechnet für das noch laufende Jahr mit einer neuen Rekordmarke von rund 41.000 Anträgen.
In Berlin leben derzeit rund 410.000 Nichtdeutsche, was einem Anteil von etwa 12 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.
Die Zahl der Anträge sagt jedoch noch nichts darüber aus, wer dann am Ende all die zahlreichen bürokratischen Hürden überwunden hat und als deutscher Staatsbürger anerkannt wird. In diesem Jahr werden nach Schätzung der Innenverwaltung nur rund 8.900 Ausländer dafür alle Voraussetzungen erfüllen, also bloß jeder fünfte Antragsteller.
Die Kriterien für die Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit sind nicht nur kompliziert, sondern differieren auch je nach Gruppen. Junge Ausländer beispielsweise, die hier geboren oder zumindest aufgewachsen sind, müssen für die sogenannte erleichterte Einbürgerung ihre alte Staatsbürgerschaft abgeben sowie eine Aufenthaltszeit in Berlin von acht Jahren und eine Schulzeit von sechs Jahren nachweisen.
Wenn die ganze Familie gleichzeitig einen Einbürgerungsantrag stellt, müssen alle Mitglieder nachweisen, daß sie sich seit zehn Jahren rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten.
Wenn jemand einen deutschen Partner geheiratet hat, kann ihm nach fünf Jahren die Einbürgerung gestattet werden.
Alleinstehende oder Menschen ohne deutsche Familienmitglieder müssen 15 Jahre hier gelebt haben, um deutsche Staatsbürger werden zu dürfen.
Der neue Höchststand an Einbürgerungsanträgen – 1992 waren es noch rund 28.000 und 1993 34.000 – erklärt sich unter anderem durch die Kampagne, die der „Bund der EinwanderInnen aus der Türkei in Berlin e.V.“ (BETB) zugunsten der Einbürgerung durchführt. Weil Deutschen ungleich mehr Rechte zustehen als Ausländern, empfiehlt der BETB allen, die bei ihm Rat suchen, eine Einbürgerung zu beantragen.
Doch viele schrecken immer noch davor zurück, weil sie dabei zur Abgabe der fremden Staatsangehörigkeit verpflichtet werden. CDU-Innensenator Dieter Heckelmann aber sieht das genau andersrum: Die generelle Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft sei überflüssig, erklärte er gestern. Die Einbürgerungszahlen würden belegen, „daß sich die ausländische Wohnbevölkerung zunehmend in der Hauptstadt heimisch fühlt“. Ute Scheub
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