: Major noch in Amt und Würden
■ Britischer Regierungschef überstand Vertrauensfrage leicht angeschlagen / Rebellen aus Fraktion ausgeschlossen
London (taz) – Auf den Sieg folgte die Rache: Am Montag abend brachte die britische Regierung das Finanzierungsgesetz der Europäischen Union in zweiter Lesung durch das Unterhaus, gestern vormittag wurden die acht Tory-Rebellen, die sich dabei der Stimme enthalten hatten, aus der Fraktion ausgeschlossen.
Die Abstimmung war bis zuletzt eine Zitterpartie. Zwei Abgeordnete wurden eigens aus dem Krankenhausbett geholt und im Rollstuhl ins Unterhaus geschoben. Premierminister John Major hatte das Votum zur Vertrauensfrage erklärt, die Parteiführung bearbeitete die Euro-Gegner in den eigenen Reihen hinter den Kulissen mit Zuckerbrot und Peitsche. Außenminister Douglas Hurd deutete an, daß ein Referendum über die Europäische Währungsunion, das Major bisher kategorisch abgelehnt hatte, nun im Bereich des Möglichen läge.
Die Rechnung ging auf: Das Unterhaus lehnte einen Zusatzantrag der Labour Party, der das Inkrafttreten des Gesetzes um ein Jahr verzögert hätte, mit 330 Stimmen bei 303 Gegenstimmen ab. Danach ging alles glatt: Das EU- Finanzierungsgesetz erhielt eine Mehrheit von 285 Stimmen, weil Labour sich enthielt.
Nach dem Ausschluß der acht „Rebellen“ hat Major theoretisch seine Unterhausmehrheit von 14 Sitzen eingebüßt, weil sie künftig der Opposition zugerechnet werden. In der Praxis spielt das aber keine Rolle, da die Abtrünnigen in der Regel mit der Regierung stimmen werden, wenn es nicht gerade um Europa geht.
Das nächste Gewitter braut sich allerdings schon über Major zusammen: Am nächsten Dienstag muß vermutlich über die – auch innerhalb der Tories heftig umstrittene – Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Heizmaterial abgestimmt werden. Nordirlands Unionisten, die Major in der Vergangenheit oft aus der Klemme halfen, haben angekündigt, daß sie dieses Mal gegen ihn stimmen werden.
Eine Sorge ist Major wenigstens los: Die notwendigen 34 Unterschriften zur Nominierung eines Gegenkandidaten für die Führung der Partei werden kaum zusammenkommen, weil die ausgeschlossenen Abgeordneten kein Stimmrecht haben. Die Frist läuft heute mittag ab – dann hat Major sein Amt als Parteichef für ein weiteres Jahr sicher. Die Hinterbänkler werden ihm die Freude daran jedoch gründlich vergällen.
Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits am Montag. Nachdem Schatzkanzler Kenneth Clarke die Debatte mit einer kompromißlos pro-europäischen Rede eröffnet hatte, sprach sein geschaßter Vorgänger Norman Lamont, der zur Leitfigur der Euro-Gegner geworden ist. „Ich habe gehört, daß Selbstmorddrohungen ein klassischer Hilfeschrei sind“, sagte er. „In diesem Sinne möchte ich der Regierung helfen.“ Dann tat er freilich genau das Gegenteil und gab Clarke in allen Punkten Contra. Selbst der Austritt aus der Union müsse erwogen werden, sagte Lamont und sprach damit vielen Hinterbänklern aus der Seele. Ralf Sotscheck
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