: Neuer Akt im Staatsschutz-Theater
■ Plattenleger-Prozeß: Ermittlungen gegen Hamburger Staatsschützer wegen Meineids eingeleitet / Auch Thema im PUA Polizei Von Kai von Appen
Auf den Hamburger Staatsschutz kommt erneut Ungemach zu. Die sogenannte „Plattenleger-Affäre“ wird – neben der Erörterung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) „Polizei“ – auch ein juristisches Nachspiel haben: Die Itzehoer Staatsanwaltschaft hat gegen die vier Hamburger Staatsschützer, die vor zwei Jahren im „Plattenleger-Prozeß“ gegen die beiden Rot-Floristen Knud Andresen und Ralf Gauger die Kronzeugen spielten, ein Verfahren wegen Meineides eingeleitet. Auf Meineid steht immerhin zwei Jahre Knast.
Entsprechende taz-Informationen wurden gestern offiziell vom Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Scharmerowski, bestätigt: „Es ist schon während des Prozesses im Oktober 1992 von Amts wegen ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden“, so der Ankläger. Aufgrund einer weiteren Strafanzeige sei nun ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Die Akten sind vor sechs Wochen „in Amtshilfe“ dem Hamburger Landeskriminalamt übergeben und an den „Präsidialstab 3“ (PS 3 – Ermittlungsdienststelle für Beamtendelikte) weitergeleitet worden. Peter Kelch, Pressesprecher von Innensenator Hartmuth Wrocklage, bestätigt: „Die Herrin des Verfahren ist die Staatsanwaltschaft Itzehoe. PS 3 ist über die Kripo Itzehoe ersucht worden, die Beamten verantwortlich zu vernehmen.“ PS 3 soll dann direkt der Staatsanwalt Itzehoe Bericht erstatten. „Die Vernehmung“, so Kelch, “wird alsbald erfolgen.“ Es sei allerdings davon auszugehen, daß die Geheimpolizisten dann die Aussage verweigern werden.
Die vier Staatsschützer Martens, Thoms, Schöning und Jahnke hatten im Juli 1991 – zwei Tage nach der spektakulären Räumung des Flora-Parks im Hamburger Schanzenviertel – Knud Andresen im Rahmen einer Observation an der Stresemannstraße „aufgenommen“ (Polizeijargon), ihn aber mit ihrer eigentlichen „Zielperson“ verwechselt. Ihre weitere Observationsfahrt ging damals nach Pinneberg, wo sie Andresen, der mit Ralf Gauger unterwegs war, mehrere Stunden verfolgten, jedoch plötzlich aus den Augen verloren.
Minuten später wollen die Fahnder die beiden Rot-Floristen aus einer Entfernung von 600 Metern beobachtet haben, wie sie auf der Bundesbahnstrecke Hamburg-Pinneberg Betonplatten auf die Gleise legten. Die Anklage lautete auf Mordversuch und brachte den beiden sechs Monate Untersuchungshaft ein.
In dem spektakulären einjährigen Verfahren vor dem Landgericht Itzehoe beharrten die Beamten – die auf Anweisung ihrer Behördenleitung von einer Maskenbildnerin „unkenntlich gemacht“ vor Gericht auftraten – darauf, Andresen und Gauger eindeutig erkannt zu haben. Das Gericht stellte aber schnell fest, daß ihre Angaben zum angeblichen Tathergang nicht stimmen konnten. Auf konkrete Nachfragen des Gericht äußerten die Beamten dann stereotyp: „Das weiß ich nicht ...“ Andresen und Gauger wurden freigesprochen.
Wann das jetzt eingeleitete Meineids-Verfahren abgeschlossen sein wird, ist fraglich. Schar-merowski: „Die Ermittlungen werden noch eine Zeit dauern, weil die Sache nicht so ganz einfach ist.“
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