■ betr.: Diskussion um Stasi-Akten, Gysi und BürgerrechtlerInnen; Leserbrief H. Seidel, Erwiderung A. Widmann, Interview mit E. Bahr, taz vom 28. 11. 94

[...] Wer schreibt in der taz meistens Kommentare und Briefe zum Thema? Westdeutsche. Was fordern diese sehr oft? Vergangenheit ruhen lassen, vergessen, verbrennen. Wem hängen sie an? Ehemaligen, Unterdrückern, halbgewendeten Stalinisten, Gysis reaktionärer Truppe, religiösem Vergebungsschmus. Es ist bei weitem zuviel, wenn A. Widmann, dessen Äußerungen ich voll zustimme, sich beim potentiellen Aktenverbrenner Seidel für irgend etwas entschuldigt. Solchen Menschen, die die Unterdrückungsmaschine DDR-Staat nicht mal von fern kannten beziehungsweise wenn, dann selbst auf seiten des Spitzelstaates standen, ist jedes Nachgeben gegenüber fehl am Platze.

F. Klier mag hier und da überzogen reagieren, zu harte Worte finden – ihr Zorn ist allemal verständlich und gerechtfertigt. Die Debatte in der taz tat und tut not und zeigt, daß die BürgerrechtlerInnen sehr wohl sachlich argumentieren. In den Bund ostdeutscher Reaktionäre von der PDS über SPD und CDU mit westdeutschen Linken und Konservativen, die nach dem Ende der Stasi-Debatte und damit nach dem Ende der kurzen Aufarbeitungsgeschichte rufen, werden sich eine Menge Leute nicht einreihen.

Es ist allzu offensichtlich: Hier soll das gelebte Leben und wirkliche Erleiden einer Minderheit in einer Diktatur von Leuten, mit verschiedensten Interessen und politischer Herkunft, mal wieder untergebuttert werden. Kaum fordern wir Recht, Akteneinsicht (und erhalten diese), Aufdeckung von historischen Zusammenhängen, beschimpft und belächelt man uns. Theoretisch süffisant, pathetisch und aalglatt wird das kaum Begonnene mit politischer Weltläufigkeit und Sarkasmus begraben. Die Koalition der Geschichtsbeschöniger, Tagespolitiker und Aktenverbrenner soll sich aber an ein paar Leutchen die Zähne ausbeißen. Gerhard Bleick,

Porta Westfalica