: Bambule um die „Bambule“
■ Wegen der drohenden Räumung einer Hamburger Bauwagensiedlung lieferten sich Polizei und Jugendliche stundenlange Straßenschlachten / 22 Polizisten verletzt
Hamburg (taz) – 22 verletzte Polizisten, ausgebrannte Autos und aufgerissene Straßen – das ist die Bilanz schwerer Krawalle um die Bauwagensiedlung „Bambule“ im Hamburger Karolinenviertel in der Nacht zum Freitag. An den mehrstündigen Straßenschlachten beteiligten sich zeitweise mehrere hundert Menschen aus dem Brennpunkt-Viertel. Aus Protest gegen eine bevorstehende Räumung des Bauwagenplatzes hatten sie Barrikaden errichtet. Beim Anrücken der Polizei warfen sie Molotowcocktails und Pflastersteine und schossen mit Stahlzwillen. Festnahmen gab es nicht. Ob auch Demonstranten verletzt wurden, war gestern noch unklar. Das Hamburger Oberverwaltungsgericht hatte Anfang dieser Woche entschieden, daß der Bauwagenplatz geräumt werden kann.
Die Randale begann unmittelbar nach einem Plenum, auf dem sich die BewohnerInnen mit der drohenden Räumung des seit zwei Jahren bewohnten Bauwagenplatzes befaßt hatten. Im Gegensatz zum Bezirk Altona, der trotz des Hamburger Bauwagengesetzes das Wohnen in mobilen Unterkünften verbietet, lehnt das Bezirksamt des Karoviertels eine Duldung derartiger alternative Lebensformen trotz akuter Wohnungsnot ab. Nach einem mehrmonatigen Rechtsstreit, aus dem die „Bambule“-Bewohner teilweise erfolgreich hervorgingen, gab das Oberverwaltungsgericht am Montag doch noch grünes Licht zur Räumung.
Unmittelbar nach der Versammlung machten die Karoviertel-BewohnerInnen ihrem Unmut über die avisierte Räumung Luft. An verschiedenen Orten errichteten sie meterhohe Barrikaden. Als die völlig überraschte Polizei anrückte, waren die BeamtInnen einem regelrechten Hagel aus Leuchtspurmunition, Steinen und Tränengas ausgesetzt. Auch als ein größeres Polizeiaufgebot anrückte, konnte die Polizei im Viertel keine Ruhe schaffen. Immer wieder flammten Straßenschlachten auf, Barrikaden und Fahrzeuge brannten. „Ausschreitungen in dieser Intensität haben wir lange nicht erlebt“, sagte der Polizeisprecher. Insgesamt waren 330 Polizisten im Einsatz. Neben zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei mit Wasserwerfern und einem Panzerfahrzeug wurde auch das Mobile Einsatzkommando (MEK) eingesetzt.
Erst in den frühen Morgenstunden zogen die zumeist jugendlichen Randalierer ab. Zuvor hatte sich Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) zu direkten Gesprächen mit den „Bambule“-Bewohner bereit erklärt. In den Vermittlungen sicherte er den Bauwagenleuten Verhandlungen über eine „Lösung“ mit der Stadtentwicklungsbehörde zu. Daraufhin kehrte im Karoviertel wieder Ruhe ein.
Kai von Appen
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