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Neues aus dem Nähkästchen

■ "Der Salon" im KUBO: Ein bunter Jahrmarkt der Eitelkeiten mit 100 Künstlerporträts

Kaum ein Nebenprodukt des Kunstbetriebs hat das Publikum je so gereizt wie das Selbstbildnis. Hier darf der normalsterbliche Betrachter mal einen tiefen, unverschämten Blick in die Künstlerseele werfen. Auf daß sich in den Furchen der Halsfalten, im matten Glanz der Augen das Innerste des Künstlers enthüllen möge, und damit auch das Mysterium der Kunst schlechthin. Wer van Goghs Bildnis mit abgehobeltem Ohr besieht, weiß gleich alles über van Gogh. Oder doch darüber, welches Bild der Meister gern ans Publikum abgäbe. Dieses schöne Spielchen hat über die Jahrhunderte nichts von seinem Reiz verloren: Knapp über 100 neueste Selbstbespiegelungen macht jetzt das Bremer KUBO öffentlich; eine grandiose Nabelschau der heimischen und auch auswärtigen Kunstschaffenden, voll herrlicher Eitelkeit, Selbstironie, Witz und Tiefgang.

Den direkten Blick ins Oberstübchen gewährt der Künstler hier. Auf schwarzem Film ist der durchleuchtete Schädel abgebildet, in -zig Positionen. Das Allergeheimste des Genius wird hier gründlich durchleuchtet – und sagt so gut wie überhaupt nichts über den Meister Dolf Bissinger. Außer, daß seine Entscheidung, Magnetresonanzbilder seines eigenen Kopfes publik zu machen, eine elegante Verbindung zwischen alten und neuen Bildnisformen darstellt, zwischen antiker Totenmaske und Computerbild. Aufs äußerste enthüllt, bleibt hier doch so ziemlich alles verborgen. Zwischen diesen Polen haben die Künstlerinnen und Künstler ihre Selbstbildnisse aufgespannt: Selbstentblößung und hermetische Verrätselung.

52 Bremer Künstler hat die rührige KUBO-Belegschaft zu diesem Spiel anstiften können. Damit nicht genug, durften diese auch noch einen Künstlerpartner ihrer Wahl von auswärts zum Mittun einladen. Das allesmin einer Art „Salon“ angerichtet: Im KUBO soll das Thema „Selbstbildnis“ verdichtet werden, sagt ELE Hermel, Initiatorin des Salons; entsprechend alter Salon-Tradition sind die Bildnisse dicht gedrängt gehängt, berühren sich, kommentieren und widersprechen einander.

Bilder aus dem Nähkästchen, rosarot kichernd über die dunklen Seelenbilder nebenan, an denen der neugierige Blick abrutscht. Allerlei nostalgischer Erinnerungskrimskrams wird da angehäuft: Topflappen, Fingerhütchen, eine Liste von Bandnamen (Johnny Cash, Beck und The Fall – den Herrn möchte man doch mal genauer kennenlernen). Das ist meist recht lieblich und nett. Aber außer einem Schmunzeln über den hübschen Kitsch, der beim Betrachter selbst in ähnlicher Form herumliegen dürfte, bleibt da nicht viel hängen.

Dann lieber konsequent mit dem Symbolwert solcher Kitschfigürchen spielen, ihn ein wenig gegen den vordergründigen Sinn wenden. Warum z.B. Isabel Valecka sich als grüne Plastikschnecke auf einem pfirsichfarbenem Plüschkissen darstellt – darüber können nun die Chefikonografen und Symboldeuter unter den Kunstfreunden rätseln. In jedem Fall ein geschmackssicheres Arrangement von bleibender Strahlkraft.

Daß sich die Künstlerpersönlichkeit nicht auf ein einziges Zeichen zusammenballen läßt, haben auch andere erkannt. Und fächern ihre Selbstbildnisse entsprechend auf. Die vielen, flüchtigen Gesichter der Edith Pundt erscheinen auf einem Videobild: Die eigentliche Charakteristik des Mediums, das Verflüssigen und Verschmelzen von Images, ist hier mal wirklich konsequent genutzt. Und so zerfließt das Bildnis zu einem ständig sich wandelnden Film, vielgesichtig und unmöglich ausdeutbar. Mit ähnlicher Konsequenz hat Anne Baisch ihre Persönlichkeit im Foto aufgefaltet. Drei transparente Folien, mit Gesichtern aus drei generationen, setzen sich zu einem weiteren gesicht zusamme. Je nach Blickwinkel spiegeln sich die Köpfe, verschränken sich, verstellen einander – ein vielschichtiges, sehr präzise inszeniertes Spiel mit den Facetten der Persönlichkeit. Ein Wenig wird angedeutet, ein Wenig preisgegeben, aber keine Deutung zwingend vorgeschrieben: Wer hier mit bohrendem Blick Privates aus dem Künstlerleben enthüllen will, wird auf sein eigenes zurückgeworfen. Thomas Wolff

„Der Salon“, bis 21.12. im KUBO, Am Paulskloster 12; Öffnungszeiten: Mo-Mi 14-19 Uhr, So 12-19 Uhr; Verleihung des ersten „KUBO-Kunspreises“ am Sonntag, 18.12., um 12 Uhr

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