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Lieber die Nato retten als Bihać

■ Die jüngste Wende in der amerikanischen Bosnienpolitik

Washonton (taz) – Das Datum würde vermutlich unbemerkt verstreichen, hätte die Presse nicht diese Vorliebe für Jahrestage. Zwei Jahre nach der Landung von US-Marines am Strand von Mogadischu am 9. Dezember 1992, so resümieren amerikanische Medien, kontrollieren wieder waffenstrotzende Klanmilizen die Hauptstadt Somalias. Die restlichen UNO- Kontingente bereiten sich auf ihren Abzug vor, Einwohner haben eine der hochgerüsteten Nachbarschaften in Erwartung des nächsten Bürgerkrieges in „Bosnien- Herzegowina“ umgetauft.

Das echte Bosnien beschäftigt die Clinton-Administration derzeit viel mehr als Reminiszenzen ans Somalia-Debakel. Eine Woche nach dem Kurswechsel der US-Politik in Bosnien, mit dem Washington von seiner Strategie des diplomatischen und militärischen Drucks gegen die bosnischen Serben abrückte, meldete das US-Außenministerium das Vorhersehbare: Bosniens Serbenführer Radovan Karadžić erwies sich am Wochenende gegenüber diplomatischem Druck des US-Gesandten Charles Redman immun und weigerte sich bei einem Treffen in Pale erneut, den Friedensplan zu akzeptieren, der die Republik teilen und das Territorium der Serben von derzeit zwei Drittel auf knapp die Hälfte reduzieren würde.

Gleichzeitig erneuerten Oppositionsführer in den USA ihre Kritik an Nato, UNO und der Clinton- Administration. Der künftige Mehrheitsführer im Senat, Robert Dole, präsentierte seine Dreipunktestrategie: Abzug der UN- Truppen, Waffenlieferungen an die bosnische Regierung, Nato- Luftangriffe auf Stellungen der Serben. Newt Gingrich, angehender Sprecher des Repräsentantenhauses, erklärte die UNO zudem zu einem „völlig inkompetenten Instrument“ und forderte, die USA sollten die bosnischen Muslime militärisch unterstützen.

Viel von dieser Rhetorik ist im Zusammenhang des sich bereits anbahnenden Präsidentschaftswahlkampfes 1996 zu sehen, für den Dole Ambitionen angemeldet hat. Doch die Clinton-Administration sieht sich nicht nur mit wachsender innenpolitischer Kritik, sondern auch mit einer Zäsur in der Bündnispolitik konfrontiert: Erstmals in der Geschichte des westlichen Bündnisses hat Washington eine außenpolitische Initiative – und am Ende eine Strategie – zurückgezogen, um das Nato- Bündnis nicht zu gefährden. „Gegen eine Mauer rennen“ – so betitelte die New York Times am Wochenende den Versuch der USA, vor allem Großbritannien und Frankreich von der Notwendigkeit diplomatischen und militärischen Drucks auf die bosnischen Serben im Kampf um Bihać zu überzeugen.

Zwei Faktoren hatten die Clinton-Administration Anfang November im Fall Bihać unter Handlungsdruck gesetzt – und am Ende gegen besagte Mauer manövriert: erstens der innenpolitische Druck, einseitig das Waffenembargo gegen die bosnische Regierung aufzuheben, sowie die vom Kongreß herbeigeführte Entscheidung, daß sich die USA mit Wirkung vom 12. November nicht mehr an der Durchsetzung des Embargos gegen die bosnische Regierung beteiligen werden; zweitens die Gefahr der Ausdehnung des Konflikts, nachdem die kroatische Regierung gedroht hatte, in den Krieg einzugreifen.

Doch Washingtons Vorschlag, mit Unterstützung der Nato um Bihać eine „waffenfreie Zone“ einzurichten, scheiterte letztlich am Widerstand der westlichen Verbündeten. Deren Unmut über den Embargo-Beschluß des Kongresses kannte keine Grenzen – eine Reaktion, mit der man offenbar so nicht gerechnet hatte. Letztlich manifestierte sich in diesem diplomatischen Schlagabtausch der alte Konflikt: In den Augen der Europäer verhält sich Washington inkonsequent und unverantwortlich, solange es militärische Optionen gegen die Serben befürwortet, ohne eigene Bodentruppen stationiert zu haben. In den Augen der USA kommt der mit der Sorge um UNO-Truppen begründete Widerstand der Europäer gegen den multilateralen militärischen Druck auf die serbische Seite einer Politik des „Appeasement“ gleich.

Doch am Ende, so die Washington Post gestern, habe man sich in der Clinton-Administration entschieden, eher Bosnien zu verlieren als die Nato – und richte sich nach dem Willen der europäischen Verbündeten. Sich weiter zu streiten, so erklärte ein Regierungsbeamter, hätte Risiken weit über den Konflikt in Bosnien hinaus mit sich gebracht. „Das hier geht wirklich ans Herz der atlantischen Allianz.“ Erstmals in der Geschichte des Bündnisses, so die New York Times, hätten die USA nun „auf dem Rücksitz Platz genommen“ – gebunden an die Strategie diplomatischer Verhandlungen, die in der Clinton-Administration kaum jemand für wirksam hält. Andrea Böhm

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