Die „sauberen Hände“ werfen das Handtuch

■ Mailänder Starermittler Di Pietro tritt zurück

Berlin/Rom (taz/AFP/Reuter) – Kaum jemand hätte gedacht, daß Ministerpräsident Silvio Berlusconi länger durchhalten würde als er: Mailands führender Anti- Korruptionsermittler Antonio Di Pietro hat gestern seinen Rücktritt eingereicht. Der Chef der Mailänder Kommission, der mit seinen mani pulite, den „sauberen Händen“, ehemalige und derzeitige Politiker gleich dutzendweise vor den Kadi gezerrt und Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, kapitulierte jetzt offenbar vor dem politischen Druck.

Tatsächlich hatte Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Mailänder zu seinen Hauptfeinden erklärt, seit sie in Aussicht gestellt hatten, auch gegen ihn im Rahmen der Untersuchungen über Schmiergeldzahlungen seiner Fininvest-Holding ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Ein Rücktritt des ersten Ministerpräsidenten der „zweiten Republik“ galt für diesen Fall schon als sicher – und kam dann doch nicht, als der Ermittlungsbescheid ihm Ende November auf den Regierungsschreibtisch flatterte.

Bei den italienischen Fernsehzuschauern waren die öffentlichen Verhandlungen der mani pulite durchaus beliebt: Di Pietro leitete die Sitzungen wie ein Tribunal gegen die korrupte Polit-Klasse. Im sogenannten Enimont-Verfahren etwa stehen 24 Politiker und Wirtschaftsmanager unter Anklage, darunter auch Ex-Ministerpräsident Bettino Craxi. Es geht um Bestechungssummen von rund 150 Millionen Mark.

Mit dem Amtsantritt Silvio Berlusconis entwickelte sich das Verhältnis zum Ministerpräsidenten zum regelrechten Privatkrieg: Die Staatsanwaltschaft führe, schimpfte Berlusconi, eine „politische Kampagne“ gegen ihn. Mit allen Mitteln versuchte er den Mailändern die Ermittlungen zu entziehen – zuletzt erwirkte er vor dem italienischen Kassationsgericht die Entscheidung, zentrale Teile der Verhandlungen von Mailand nach Brescia zu verlegen. Nicht zuletzt wohl deswegen warf Di Pietro jetzt das Handtuch.

Die Verfahren freilich wird das nicht aufhalten. Kurz nachdem die Mailänder Staatsanwälte ihre Ermittlungen gegen Berlusconi eingeleitet hatten, gab auch die Staatsanwaltschaft in Rom Ende November bekannt, gegen den Regierungschef zu ermitteln. Der Vorwurf: Berlusconi habe unlauteren Druck auf das staatliche Fernsehen ausgeübt – zugunsten seiner Privatkanäle. Bernd Pickert