: Anregungsarme Zone
■ Auf der Suche nach dem Modischen in der Bürgerschaft Von Kaija Kutter
Wie steht es mit der Mode in der Bürgerschaft? Eigentlich ist die Frage an sich schon ein bißchen fies. Fällt doch der Blick der Betrachterin automatisch nur auf die Frauen, da die Männer in blauen und grauen Tarnanzügen stecken. Lediglich ein Hakki Keskin im weinroten Wolljacket mit farblich passendem rosa gestreiften Hemd oder ein Hartmuth Wrocklage im vornehmen dunkelblauen Dreiteiler mit schnieker Weste bieten beschreibbare Accessoires.
Doch auch die „Abgeordnetinnen“ haben sich kluger Weise den Tarntrick abgeguckt. Dunkelblaugrünbraunsenf, als Farbe ist kaum zu erkennen, was Feierabendparlamentarierin so trägt. Einziger Lichtblick ist am Untersuchungs-Abend das poppige Grün-Türkis an Rotraut Meier-Verheyen. Diese Abgeordnete der Statt Partei unterstreicht ihre Zugehörigkeit zum bürgerlichen Lager durch konsequentes Tragen von damenhaften Kostümen, vorzugsweise mit goldenen Knöpfen versehen. Seit sie einen leichten Bob-Haarschnitt trägt, ist ihrem Auftreten allerdings ein bißchen die mütterliche Note verloren gegangen.
Kostüme tragen auch gestandene CDU-Damen wie Helga Mack und Ingeborg Knipper. Senatorinnen tragen vorzugsweise lange Röcke zum Sakko, was auch Sinn macht, weil es ihnen Autorität verleiht. Ein Kniff, der vielleicht Anna Bruns abgeguckt wurde, der mit Abstand am elegantesten gekleideten Oppositionspolitikerin.
Echten Mut müssen Frauen mitbringen, die auf dieser Bühne in kurzem Rock und hochhackigen Pömps erscheinen. Stolpern sie, oder haben Mühe zu gehen, bleibt dieser Eindruck womöglich haften und schmälert die Aufmerksamkeit gegenüber dem Inhalt der Rede.
Obwohl diese Gefahr natürlich sowieso besteht. Wer glaubt, in der Bürgerschaft fänden inhaltliche Auseinandersetzungen statt, der irrt. Die Entscheidungsmaschinerie wird von Wortbeiträgen nicht nachhaltig beeinflußt. Deshalb ist die Konzentration auf jedem beliebigen Schulhof größer. Zuschauer können von ihrer Tribüne aus ein Suchbild beobachten, wie man es von Kinderbüchern kennt. Während hier die Abgeordnete X am Pult spricht, gibt dort der Abgeordnete Y ein Interview vor laufender Kamera, Frau Z liest Zeitung und die KollegInnen A, B und C treiben sich in den Gängen herum. Da wird gemunkelt und getratscht und gelacht.
Immerhin, es gibt ein ordnendes Element: Fast alle Politiker sind mit halbrunden Lesebrillen ausgestattet, mit denen sie beim Rumdröhnen spielen, um sie während ihrer Reden würdevoll auf der Nase zu balancieren. Und: SPD-Damen tragen vorzugsweise zum Knoten gebundene große Tücher. GALierinnen hingegen stehen in Bluse und Weste ihre Frau. Und CDU-Frauen, wie erwähnt, geben sich gerne mit biederen Kostümen die gewisse Blankeneser Note. Aber ach, bei dieser Verallgemeinerung ist der Autorin nicht wohl. Die Bürgerschaft ist optisch gesehen eine anregungsarme Zone. Vielleicht wäre folgendes Thema ergiebiger: Mode auf Pressekonferenzen. Was trägt der Journalist im Alltag? Aber wahrscheinlich bliebe auch dort der Blick wieder nur an den Frauen haften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen