: FDP-Kandidat als IM: Rexrodt wußte alles
■ Die Stasi-Kontakte des Bundestagskandidaten Andreas Spector wurden von den Liberalen bis heute geheimgehalten
Für die Berliner FDP ist das Thema Stasi offenbar nicht der Rede wert: Bis heute haben der Landesvorsitzende Günter Rexrodt sowie sein Stellvertreter, Jürgen Dittberner, kein Wort über die Tätigkeit des Bundestagskandidaten Andreas Spector als Informant der Staatssicherheit verloren. Zeit genug hätten sie gehabt: Kurz vor der Bundestagswahl am 16. Oktober hatte die Gauck-Behörde den FDP-Landesverband über die Stasi-Kontakte des West-Berliners unterrichtet. „Weil kurzfristig kein Termin mit Spector zu vereinbaren war“, erklärte gestern Jürgen Dittberner, habe man sich zu dem Verdacht nicht äußern wollen. Zuvor hatte Dittberner den Landesvorsitzenden und FDP-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt unterrichtet. Daß die FDP den Fall auch nach der Wahl geheimhielt, begründete Dittberner damit, daß es sich um eine vertrauliche Personalangelegenheit gehandelt habe, über die man die Öffentlichkeit nicht habe informieren können.
Der offen schwul lebende Spector, der noch im Frühjahr dieses Jahres um das Amt des FDP-Landesvorsitzenden kandidiert hatte, räumte gegenüber der taz ein, sich seit 1988 mehrfach mit der Staatssicherheit getroffen zu haben. Ob er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, wisse er nicht. Keinesfalls aber habe er schriftliche Berichte verfaßt. Thema für die Stasi seien die Kontakte zur Ost-Berliner Schwulenbewegung gewesen. Spector behauptet allerdings, niemandem geschadet zu haben. „Ich hab' denen nur dummes Zeug erzählt“, so der 30jährige, der 1990 der FDP beitrat. Im selben Jahr hatte Spector seine Stasi-Kontakte dem Staatsschutz sowie dem Berliner Verfassungsschutz offenbart und, so wörtlich, „den westlichen Diensten Informationen über die Stasi geliefert“. Daraufhin sei nicht weiter gegen ihn ermittelt worden. Die Behörden, meinte Spector, „haben dichtgehalten und mir sogar eine Laufbahn als Referendar und Beamter ermöglicht“.
Spector, der dem linksliberalen Flügel der FDP angehörte und eigenen Angaben zufolge den Wahlkampf des Kreuzberger Direktkandidaten Günter Rexrodt organisiert hat, ist inzwischen aus der FDP ausgetreten. Der Grund: Gerüchte innerhalb der Partei, denen zufolge er die FDP habe ausspionieren sollen, und die das Ziel hätten, ihn politisch kaltzustellen. Spector wörtlich: „Ich lasse mich von denen nicht grillen.“
Der Versuch der FDP, den Stasi-Fall zu verheimlichen, hat bei Bündnis 90/Die Grünen Empörung hervorgerufen: Der Berliner Abgeordnete und Ostberliner Schwulenaktivist Christian Pulz wertete das Verhalten der Liberalen als „Skandal“ und als „bezeichnend für die neue Entwicklung der FDP“. Pulz gab zu bedenken, ob man nicht auch im Westen Anwärter auf den öffentlichen Dienst auf eventuelle Stasi-Tätigkeiten überprüfen müsse. Der grüne Bundestagsabgeordnete Gerd Poppe bezeichnete das Verhalten der FDP als „weder moralisch richtig noch politisch klug“. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen