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Musical brummt in deutschen Landen

■ Katja Ebstein, Meisterin des sozialdemokratischen Schlagers, tritt im besten Alter von fünfzig Jahren mit neuer Platte auf den Plan. Der Titel ist schlicht: „Ebstein“.

Mehr als sechs Jahre ist es her, daß Katja Ebstein als deutsche Streisand gehandelt wurde – und es gerne mit sich geschehen ließ. Jetzt beendet eine Platte die lange Pause. Lapidarer Titel des Werks: „Ebstein“. Polydor, schon in den fünfziger und sechziger Jahren Beinahe-Monopolist im Bereich der einheimischen Unterhaltungsmugge, hat sich ihrer angenommen. Produziert von Sylvester Levay („Silver Convention“), hat die Ebstein eine gute Dreiviertelstunde Material aus dem Boomsektor Musical & Co. vertont. Andere Lieder hätte die Firma, dem Vernehmen nach, gar nicht ins Repertoire gelassen: Es wäre ein zu unsicheres Geschäft geworden.

Die Ebstein, im besten 68er-Alter von knapp 50 Jahren, singt wie immer. Eine Stimme, die gelegentlich schreit, manchmal flüstert und immer aus einem Chor herauszuhören wäre. Sie hat sich nicht allzu viel irritieren lassen vom orchestralen Bombast, den Produzent Levay über den Gesang gelegt hat. Doch bei Liedern wie „Nur ein Blick“ (aus Lloyd-Webbers hierzulande noch unaufgeführtem Musical „Sunset Boulevard“), „Wo sind die Clowns“ (Stephen Sondheim), „Ich gehör' nur mir“ (aus „Elisabeth“, einem Michael-Kunze-Sylvester-Levay-Musical, erfolgreich momentan in Wien), „Mehr will ich nicht von Dir“ („Phantom der Oper“) oder „Papa, bist Du bei mir“ (aus „Yentl“) geht alles auf Nummer Sicher. Der deutsche Soundtrack vom „Phantom der Oper“ wird in diesem Herbst zum millionstenmal verkauft werden: Musical brummt in deutschen Landen, da konnte bei der Ebstein nichts schiefgehen.

Sie selbst, Mitte der sechziger Jahre noch eine Berliner Sängerin aus dem Milieu der Meys, Süverkrüps & Degenhardts und ein Jahrzehnt später ungekrönte Heldin des sozialdemokratischen Erweckungsschlagers („Und wenn ein neuer Tag erwacht“), vertraut auf ihr Können: „Wenn die Platte gut geht, kann man sich für das nächste Mal etwas anderes überlegen.“ Schlichter in den Arrangements, also trendiger und chansonhafter? „Ja“, sagt sie, „vielleicht.“ Im übrigen, beteuert sie, habe sie das Singen nicht nötig: Sie ist genug am Theater beschäftigt, tingelt mit Rezitationsprogrammen durch die Republik, wobei ihr ihre TV- Abenteuer auf dem Boden der DDR inzwischen gelegen kommen. Das Volk kennt sie noch. Muß es sie scheren, daß die halbe DDR-Schlagerpopwelt sie haßt wg. angeblicher Privatkonzerte in Wandlitz?

Eine Schlagersängerin wie Margot Eskens, die derzeit mit Heimatschunkeleien die Veranstaltungshallen ornamentiert, will Katja Ebstein nicht werden: „Das, was die unter Volksmusik verstehen, ist für mich keine. ,Am Brunnen vor dem Tore‘ ist okay. Hannes Wader ist ein Volkssänger – aber nicht die reaktionären Dinger, die momentan unter Volksmusik verkauft werden.“

Da freut sie sich lieber auf eine Rolle in der deutschen Aufführund von Lloyd-Webbers „Sunset Boulevard“ im nächsten Jahr, auch wenn sie die noch nicht sicher hat. Nein, Katja Ebstein, die ihre Kollegin Gitte Haenning mal „die Intellektuelle der Branche“ genannt hat, weil sie sowohl Sozialdemokratin ist als auch dies mit geraden Sätzen begründen kann („Armut in unserem Land ist doch empörend, oder?“ oder „Von wegen Leistungsgesellschaft – Geldgesellschaft wäre eine bessere Bezeichnung!“), Katja Ebstein muß sich nicht gefallen lassen, als deutsche Barbra S. gepriesen zu werden: „Wer weiß denn, wie die auf deutsch singen würde?“ Jan Feddersen

Katja Ebstein: „Ebstein“. Polydor.

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