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„Ein Signal an alle, die Haß säen“

■ BGH-Entscheidung zum Deckert-Urteil wurde von allen Seiten begrüßt / NPD-Chef muß mit höherer Strafe rechnen

Freiburg (taz/rtr) – Die Aufhebung des Mannheimer Urteils gegen den NPD-Chef Günter Deckert ist am Donnerstag allseitig einhellig begrüßt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe klargestellt, daß neonazistische Propaganda eine entschiedene rechtsstaatliche Antwort erfordert, erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte, der BGH habe das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und die Objektivität der deutschen Justiz bestärkt. Auch die Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Kerstin Müller, begrüßte den BGH-Spruch. Als unerträglich bezeichnete sie es jedoch, daß das jetzt aufgehobene Urteil für die Mannheimer Richter keine Folgen haben solle. Der Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, Elan Steinberg, erklärte in New York, die BGH-Entscheidung sei ein Signal an alle, die Haß säten, daß ihr Gift nicht toleriert werde.

In aller Deutlichkeit hatte am Donnerstag der BGH das Skandalurteil des Mannheimer Landgerichts im Fall Deckert kassiert. Der Schuldspruch wegen Volksverhetzung und anderer Delikte blieb dabei bestehen. In einer neuen Verhandlung, die am Landgericht Karlsruhe stattfinden soll, wird nur noch über die Strafhöhe und die Aussetzung auf Bewährung entschieden. Den beiden inzwischen von ihrem Urteil wieder gesundeten Mannheimer Richtern Orlet und Müller hatte der BGH zuvor Nachhilfe in Sachen Strafzumessung erteilt und die im Mannheimer Skandalurteil aufgeführten Milderungsgründe als „Verletzung sachlichen Rechts“ abqualifiziert.

Die Einstellung Deckerts, der unter anderem Auschwitz vehement leugnet, dürfe nicht als „Uneigennützigkeit“ strafmildernd in Rechnung gestellt werden. Denn der Straftatbestand der Volksverhetzung versuche Juden gerade davor zu schützen, als Teil eines Parasitenvolkes dargestellt zu werden, das mittels einer Lügengeschichte Deutschland ausnutzen wolle. Generell könne die „Verblendung“ eines Angeklagten, der „vor der historischen Wahrheit die Augen verschließt“, nicht zu einer Strafmilderung führen. Deckert war vom Mannheimer Landgericht zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Beim nächsten Mal wird der NPD-Chef vermutlich nicht mehr mit Bewährung rechnen können. Denn Deckert habe sich, so ein „Hinweis“ des BGH, nicht einmal durch die beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren, die zu seiner Entfernung aus dem Schuldienst geführt hatten, beeindrucken lassen. Christian Rath

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